96 Prozent der Lehrkräfte fühlen sich durch eine Schulgesundheitsfachkraft entlastet

Wie geht’s weiter?

Zum Ende des fünfjährigen Modellprojekts „Schulgesundheitsfachkräfte an öffentlichen Schulen im Land Brandenburg“ stellen sich viele Fragen: Wurden die Erwartungen erfüllt? Die am Projekt Beteiligten blicken zurück – und nach vorne.

  • Fortführung und Ausweitung des Projekts aus Kostengründen schwierig
  • Einige Kommunen übernehmen die Kosten selbst
  • Schulgesundheitsfachkräfte haben durch ihre präventive Arbeit dazu beigetragen, Unfälle und Erkrankungen zu vermeiden
Protokoll: Stefan Layh | DATUM: 19.08.22Bild: Kathrin Harms

»Wir machen auf eigene Kosten weiter.«

Annett Jura, Bürgermeisterin der Stadt Perleberg Bild: Ellmenreich
„Wir waren sehr glücklich, dass dank des Modellprojekts an unseren zwei Grundschulen in Perleberg Schulgesundheitsfachkräfte (SGFK) zum Einsatz kamen. Ihre Arbeit wurde von Eltern, Lehrern und Schülern gleichermaßen geschätzt. Als Ende 2021 absehbar war, dass das Land die Finanzierung nicht mehr gewährleisten wird, haben wir uns als Kommune entschieden, auf eigene Kosten einen Trägervertrag für zwei Dreiviertelstellen mit der AWO abzuschließen. Wir wollten die SGFK an unseren Grundschulen auf keinen Fall verlieren. Ich bedauere es sehr, dass sich das Land von so einem erfolgreichen Projekt verabschiedet hat.“ Annett Jura, Bürgermeisterin der Stadt Perleberg

»Wir können das Angebot leider nicht fortführen.«

Ursula Nonnemacher Bild: MSGIV
„Die Schulgesundheitsfachkräfte haben in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit im Land Brandenburg geleistet. Trotzdem ist es leider nicht möglich, solch ein Angebot auf alle Schulen auszuweiten und dafür die Kosten zu tragen. Hier müssten viele Partner eingebunden werden, neben dem Bildungsressort wäre das insbesondere die gesetzliche Krankenversicherung. Außerdem hat die Pandemie tiefe Einschnitte verursacht und die öffentlichen Haushalte müssen sparen. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass das Konzept offensichtlich so überzeugend ist, dass einzelne Kommunen nun Schulgesundheitsfachkräfte in Eigenregie einsetzen.“ Ursula Nonnemacher, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg

»Es gibt genug Fachpersonal am Markt.«

Ulrich Striegel, Hessisches Kultusministerium Bild: privat
„Eine SGFK birgt ein Entlastungspotenzial für Kollegium, Schülerschaft und Eltern. So kann eine Lücke in der ganzheitlichen Förderung geschlossen werden. In dem Modellzeitraum zwischen 2016 und 2020 wurden 14.854 Schülerkontakte durch 10 Schulgesundheitsfachkräfte dokumentiert. Von den behandelten Kindern und Jugendlichen konnten 85 Prozent wieder in den Unterricht zurückkehren. Zudem spielen SGFK im anvisierten Ausbau der Ganztagsschulen eine immense Rolle. Es ist eine Herausforderung, so eine Kraft einzuführen. Oft wird zum Schein argumentiert, es gäbe eh so wenige Fachkräfte und SGFK würden dem Pflegebereich zusätzliche entziehen. Dem ist nicht so. Statistisch gesehen bleibt eine Pflegekraft rund zehn Jahre in ihrem ursprünglichen Beruf, dann wechselt sie – vielleicht in eine Schule. Damit hätten wir genug Fachkräfte in Aussicht, die wirksam an Schulen zum Einsatz kommen könnten. Wir in Hessen konnten unsere SGFK dauerhaft sichern und sogar um zehn weitere Stellen ausbauen.“ Ulrich Striegel, Hessisches Kultusministerium

»Schulgesundheitsfachkräfte leisten wichtigen präventiven Beitrag.«

Michael Wolf Bild: privat
„Das Projekt in Brandenburg hat eindrücklich gezeigt, dass der Einsatz von SGFK in Schulen erhebliches positives Potenzial hat. Wir waren überrascht, wie schnell die SGFK von allen Seiten an den Schulen angenommen und dass rasch Synergieeffekte erzeugt wurden. Die Ergebnisse der Evaluation belegen, dass sie dazu beitragen, Unfälle und Erkrankungen zu vermeiden. Die Gesundheitsversorgung vor Ort bewirkt eine Verringerung der Fehlzeiten. Außerdem befreit eine SGFK Lehrkräfte von unterrichtsfremden Tätigkeiten. Besonders im Bereich Prävention, aber auch bei Themen wie Sexualerziehung oder gesunder Ernährung entlasten sie Lehrpersonal und Eltern. Die Unfallzahlen an den Modellschulen sind zurückgegangen. Die Kosten für Rettungs- und qualifizierte Krankentransporte sind gesunken, da die SGFK besser einschätzen kann, ob der Rettungsdienst tatsächlich gerufen werden muss. Sie bewirken eine Sensibilisierung von Lehrenden, Lernenden und Eltern. Deshalb bedauern wir als gesetzliche Unfallkasse sehr, dass das Projekt in Brandenburg nicht fortgesetzt wird.“ Michael Wolf, Vorsitzender des Vorstandes der Unfallkasse Brandenburg

„SGFK nicht mehr wegzudenken“

Anke_Ketteritzsch Bild: privat
„Unsere SGFK ist nach der erfolgreichen Einführung im Pilotprojekt aus unserer Schule nicht mehr wegzudenken. Für die Schülerinnen und Schüler ist sie zu einer Ansprechpartnerin geworden, der sie vertrauen. Gerade nach dem Übergang in die 7. Klasse wird sie zunehmend gebraucht. Neues verursacht Angst – und Angst verursacht Bauchschmerzen. Als Schule für Gemeinsames Lernen haben wir immer mehr Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Förderschwerpunkten bei uns. Während der Vormittagsstunden werden auch diese immer wieder durch die SGFK betreut. Ob unsere Schule weiter von einer SGFK profitiert, steht in den Sternen.  Immer noch ist nicht geklärt, ob das Projekt 2023 weitergeführt wird. Keine SGFK zu haben bedeutet, dass unsere Schülerinnen und Schüler wieder vermehrt wegen Unwohlsein nach Hause geschickt werden müssen und somit Unterricht versäumen. Der Rettungsdienst wird in Situationen gerufen werden, in denen die SGFK und ihre Kompetenz ausgereicht hätten, die Kinder und Jugendlichen bis zum Eintreffen der Eltern zu versorgen.“ Anke Ketteritzsch, Schulleiterin Oberschule Alexander Puschkin aus Neuruppin