Schulwegplan
Der Schulweg stellt für viele Kinder und Jugendliche jeden Tag eine Gefahr dar. Schulwegpläne können Abhilfe schaffen.

Sicher mit Plan

Alle Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder sicher zur Schule und zurück kommen. Schulwegpläne können helfen, Problemstellen zu erkennen und zu entschärfen. Auch der Erstellungsprozess spielt eine wichtige Rolle.

  • 2021 gab es rund 62.500 meldepflichtige Schulwegunfälle
  • Ein Schulwegplan sorgt für mehr Verkehrssicherheit
  • Beim Erstellungsprozess sind alle Beteiligten gefragt
AUTORIN Susanne Layh, freie Journalistin | ILLUSTRATIONEN Adobe Stock, mann + maus | DATUM 23.08.2023

Hier eine unübersichtliche Kreuzung, dort eine stark befahrene Straße ohne Zebrastreifen. Und dann endet auch noch die Fahrradspur im Nichts. Was für erwachsene Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer schon eine Herausforderung ist, stellt für viele Kinder und Jugendliche auf dem Weg zur Schule jeden Tag eine Gefahr dar.
Nach Angaben von Rainer Knittel, der bei der Unfallkasse Hessen für den Bereich Wegeunfallprävention zuständig ist, nimmt in Deutschland die Anzahl der im Straßenverkehr verletzten Kinder und Jugendlichen seit Jahrzehnten ab. Und dennoch: Im Jahr 2021 gab es einer Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zufolge hierzulande die erschreckende Zahl von etwas mehr als 62.500 meldepflichtigen Schulwegunfälle, davon 16 mit tödlichem Ausgang. „Und das, obwohl es im genannten Jahr aufgrund der Pandemie noch wesentliche Phasen des Homeschoolings gab“, so Knittel. Das heißt: Es besteht erheblicher Handlungsbedarf. Hier setzen Kommunen immer häufiger auf einen Schulwegplan – eine kartografische Darstellung des Schulumfeldes mit Angaben von Problemstellen und eingezeichneten Wegeempfehlungen für die Schülerinnen und Schüler. Für Grundschulen werden dort in der Regel Fußwege ausgewiesen, Schulwegpläne für weiterführende Schulen berücksichtigen zusätzlich den Radverkehr.

ERSTELLUNGSPROZESS ENTSCHEIDEND

Eine Person, die sich mit dem Thema besonders gut auskennt, ist Tanja Leven. Sie ist Mitarbeiterin im Lehr- und Forschungsgebiet „Straßenverkehrsplanung und -technik“ an der Bergischen Universität Wuppertal und Mitautorin des Leitfadens „Schulwegpläne leichtgemacht“ der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Ihrer Ansicht nach ist „nicht der fertige Plan aus Papier, sondern dessen Erstellungsprozess das Wichtigste“. Denn hier kommen im Idealfall alle Beteiligten zu Wort: Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte sowie Verkehrsfachleute aus der Kommune und der Polizei.
Bevor man überhaupt mit einem Plan anfangen kann, muss man wissen, wie die meisten Kinder und Jugendlichen zur Schule kommen (zu Fuß, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad?) und welche Wege sie dabei hauptsächlich nutzen. Dazu wird eine Befragung unter den Schülerinnen und Schülern beziehungsweise bei jüngeren Kindern unter den Eltern durchgeführt, die von der Schule oder einer eigens gebildeten Projektgruppe koordiniert werden kann.
Im Mittelpunkt der Erhebung steht die Frage nach problematischen Stellen: Wo fehlen Zebrastreifen oder Fußgängerampeln? Wo können Kreuzungen oder Überquerungen nicht richtig eingesehen werden? Wo gerät man mit dem Fahrrad leicht in den Autoverkehr? Und – auch das ganz wichtig – an welchen Stellen fühlen sich Kinder ganz subjektiv einfach nicht wohl?

Kinder orientieren sich anders

Als größten Knackpunkt auf dem Weg zur Schule benennt Leven das Überqueren von Straßen: „Viele Überquerungshilfen sind für Kinder bei der vorhandenen Verkehrsstärke und den gefahrenen Geschwindigkeiten nicht geeignet. Hier bedarf es einer altersgerechten, an den Kompetenzen von Grundschulkindern ausgerichteten Verkehrsplanung.“ Zeitlücken im Verkehr, die für Erwachsene vielleicht ausreichten, um die Straße zu überqueren, seien für Kinder häufig viel zu kurz. „Kinder benötigen einfach mehr Zeit für die Orientierung und können Geschwindigkeiten noch nicht so gut einschätzen“, so Leven.
Im nächsten Schritt auf dem Weg zum Schulwegplan kommen der Expertin zufolge Verkehrsfachleute der Kommune ins Spiel: „Auf Basis der in der Befragung erhobenen Daten begehen diese die Wege und nehmen die genannten Problemstellen aus professioneller Sicht unter die Lupe.“
Wichtig sei die Einbeziehung der Ämter auch deshalb, um die vorhandenen Defizite schnellstmöglich beseitigen zu können. Denn am Ende nutze es wenig, wenn auf dem fertigen Plan Gefahrenstellen dick mit einem Ausrufezeichen markiert seien, aber nichts dafür getan werde, diese durch entsprechende Maßnahmen wie beispielsweise die Errichtung einer Fußgängerampel oder die Beseitigung eines Sichthindernisses zu entschärfen. Sollte das planerisch nicht umsetzbar sein, müssten im Schulwegplan alternative Routen ausgewiesen werden – die im Zweifelsfall einen längeren, aber sicheren Schulweg bedeuten können.

Hol- und Bringzonen ausgewiesen

Im fertigen Schulwegplan finden sich am Ende optimale Routen für Schülerinnen und Schüler, die zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule kommen, sowie ein Hinweis auf mögliche Gefahrenstellen mit Fotos und entsprechenden Handlungsempfehlungen. Auch die Ausweisung von Hol- und Bringzonen, ein Hinweis zu den Gefahren von „Elterntaxis“ oder Tipps zum sicheren Radfahren können auf dem Plan vermerkt werden.

MEHR ZUM THEMA?
Warum eine fundierte Verkehrserziehung für verschiedene Altersgruppen wichtig ist und wie das gelingt, erklärt Rainer Knittel, Experte für den Bereich Wegeunfallprävention bei der Unfallkasse Hessen, im Onlineinterview.
www.pluspunkt.dguv.de/schulwegplanung

Leitfaden „Schulwegpläne leichtgemacht“ der Bundesanstalt
für Straßenwesen mit vielen praktischen Tipps, Checklisten und
Musteranschreiben zum kostenlosen Download:
https://kurzelinks.de/ohbf