Gut auf sich und andere achten
In vielen Klassenzimmern wird es so warm, dass sich die Schülerinnen und Schüler nicht mehr gut konzentrieren können.

„Gut auf sich und andere achten“

Seit Jahren bringen die Sommermonate immer neue Hitzerekorde. Während in vielen Büros die Klimaanlagen auf Hochtouren laufen, klettern die Temperaturen in Klassenzimmern immer höher. Damit kann ein Risiko für die Gesundheit einhergehen. Die Expertin für Raumklima des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV, Dr. Simone Peters, erklärt im Interview, wie Schulen für Abkühlung sorgen können.

  • Hitze ist Stress für Körper und Gesundheit
  • Mit Blick auf Sonnen- und Hitzeschutz haben Lehrkräfte Aufsichtspflicht
  • Technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen helfen
AUTORIN Kathrin Hedtke, freie Journalistin | FOTO Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) | ILLUSTRATIONEN Adobe Stock, mann + maus | DATUM: 28.04.2023

Wie beeinflusst Hitze den Schulalltag?
Dr. Simone Peters: In vielen Klassenräumen wird es so warm, dass sich die Schülerinnen und Schüler nicht mehr gut konzentrieren können. Sie werden schneller müde und lernen schlechter. Das gilt übrigens auch für die Lehrkräfte. Wichtig ist, an Sommertagen verstärkt auf die Gesundheit zu achten. Nicht alle vertragen die Hitze gleich gut.

Wie heiß kann es im Klassenzimmer werden?
Das kommt aufs Schulgebäude an: Wie gut ist die Dämmung? Gibt es Jalousien? Scheint die Sonne direkt ins Fenster? Und befindet sich der Klassenraum im Erdgeschoss oder oben unter dem Dach? Geht man von den ungünstigsten Bedingungen aus, kann die Temperatur an heißen Tagen auf über 35 Grad steigen.

Was folgt daraus?
Hitze ist Stress für den Körper und kann der Gesundheit schaden. Die Arbeitsstättenverordnung legt deshalb fürs Arbeitsleben per Gesetz fest, ab welcher Raumtemperatur die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber welche Schutzmaßnahmen treffen müssen. So darf über 35 Grad Celsius ein Raum ohne weitere technische Maßnahmen nicht benutzt werden. Im Stahlwerk darf deshalb zum Beispiel nur mit Schutzanzügen gearbeitet werden. Und auch in Schulen gilt es, Schutzmaßnahmen zu treffen.

Worauf sollten Lehrkräfte besonders achten?
Die Lehrkräfte haben eine Aufsichtspflicht. Wenn die Sonne durchs Fenster knallt und die Kinder zu wenig getrunken haben, besteht das Risiko einer Überhitzung. Typische Anzeichen dafür sind Müdigkeit und Erschöpfung. Kommt beim Sport noch körperliche Anstrengung dazu, können Muskelkrämpfe auftreten. Es droht ein Hitzekollaps. In der Sonne besteht das Risiko eines Sonnenstichs. Lehrkräfte müssen auf die Anzeichen achten, sonst kann Hitze gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

Wie können Lehrkräfte vorbeugen?
Sie sollten verstärkt Pausen machen, damit die Schülerinnen und Schüler sich erholen können. Und sie sollten darauf achten, dass die Kinder genug trinken. Die Flüssigkeitszufuhr ist enorm wichtig bei hohen Temperaturen. Außerdem sollten Lehrkräfte im Unterricht über die Risiken für die Gesundheit aufklären. Die Schülerinnen und Schüler müssen dafür sensibilisiert werden, bei Hitze gut auf sich und andere zu achten. Dafür müssen sie die Anzeichen kennen.

Welche Tipps helfen hier?
Sinnvoll kann es sein, im Klassenzimmer ein Thermometer aufzuhängen. Für die Wand kann ein Plakat mit einer Ampel gestaltet werden: Bis zu welcher Temperatur ist alles im grünen Bereich? Ab wann wird die Hitze problematisch? Dazu Tipps, welche Maßnahmen dann helfen. Außerdem hat die DGUV ganz niedrigschwellige Lehrmaterialien entwickelt mit Arbeitsblättern, Merkzetteln und Vorlagen für Lehrkräfte, beispielsweise zu Themen wie „Sommer, Sonne, Sonnenschutz“ für Grundschulen oder „Sonnenschutz“ sowie „Arbeiten bei Hitze“ für berufsbildende Schulen (siehe Infokasten).

Nehmen Schulen das Thema ernst genug?
Der Klimawandel ist in aller Munde, Schülerinnen und Schüler gehen bei „Fridays for Future“ auf die Straße. Auch die Auswirkungen auf die Gesundheit und den Arbeitsschutz rücken immer stärker in den Fokus. Das Thema ist in den Schulen definitiv angekommen. Viele versuchen an Projekttagen kleine Maßnahmen umzusetzen, zum Beispiel einen Schulgarten anlegen oder auf dem Pausenhof ein grünes Klassenzimmer einrichten.

Welche Maßnahmen helfen bei Hitze?
Wichtig ist, die Temperatur in den Klassenzimmern nachts abzukühlen beziehungsweise in den frühen Morgenstunden kräftig zu lüften. Dies erfordert organisatorische Maßnahmen, schließlich muss auch der Einbruchsschutz gewährleistet sein. Mittlerweile gibt es gute Lösungen, die Fenster so zu sichern, dass sie gekippt sind und trotzdem niemand einsteigen kann. Wenn sie über Stunden einen Spaltbreit geöffnet sind, bringt das schon viel Abkühlung. Außerdem kann man natürlich morgens direkt alle Fenster so weit wie möglich aufmachen und stoßlüften.

Welche niedrigschwelligen Möglichkeiten haben Schulen noch?
Empfehlenswert ist es, den Unterricht an die Hitze anzupassen. Die Klasse sollte zum Sport rausgehen, solange die Temperaturen noch moderat sind. Auch Klausuren sollten eher morgens geschrieben werden – und nicht in der Mittagszeit. Die Schule kann auch überlegen, Räume zu verlegen, beispielsweise wenn in einem Klassenzimmer die Temperaturen extrem hoch sind. Solche Fragen müssen im ganzen Kollegium besprochen werden. Prinzipiell ist es sicher sinnvoll, wenn eine Person dafür verantwortlich ist und das Thema im Blick hat.

Wie viel Handlungsspielraum haben die Schulen bei Baumaßnahmen?
Kleine Maßnahmen kann die Schulleitung eigenständig umsetzen. Bei größeren Bauprojekten kommen die Schulträger und Kommunen ins Spiel. Sie müssen die Vorhaben bewilligen und die Gelder dafür bereitstellen. Bei einer Sanierung können Schulen auch auf Fördertöpfe von Bund und Ländern zurückgreifen, allerdings sind die bürokratischen Hürden hoch. Die Unfallkassen stehen den Schulen jederzeit für Beratung und Unterstützung zur Seite. Sie klären individuell vor Ort darüber auf, welche Maßnahmen sinnvoll sind – egal, ob im kleinen Rahmen oder als großes Bauprojekt.

Bei Neubauten wird in der Regel schon sehr auf Sonnenschutz geachtet. Aber wie stehen die Chancen, bei alten Gebäuden nachzurüsten?
Es gibt diverse Möglichkeiten, die etwas bringen. In der Regel ist es kein Pro-blem, die Fenster mit Außenjalousien nachzurüsten. Verdunklungsvorhänge sind keine gute Alternative. Sie haben den Nachteil, dass man drinnen das Licht anschalten muss – und dadurch wieder Wärme erzeugt. Als letzten Schritt könnte man überlegen, eine Klimaanlage in die Räume einzubauen. Aber normalerweise reicht eine reguläre Lüftung völlig aus. Bei Bestandsbauten lassen sich normalerweise problemlos nachträglich dezentrale Lüftungsgeräte in einzelnen Räumen aufstellen. Ein gutes Gerät kostet einige Tausend Euro, aber es lohnt sich. Bei einer Sanierung empfiehlt es sich, direkt eine zentrale Lüftungsanlage in die Schule einzubauen.

Was ist bei Hitze auf dem Pausenhof zu beachten?
Die Schulen müssen sicherstellen, dass genug Schatten vorhanden ist. Gibt es nicht genug Bäume, sind Sonnensegel eine gute Lösung. Die müssen allerdings bei Wind gut gesichert sein. Als niedrigschwellige Möglichkeit bietet es sich auch an, im Sommer zeitweise einen oder mehrere Pavillons aufzustellen. Doch generell sind Schulen gut beraten, mit etwas Mut beherzt ihren Pausenhof neu zu gestalten. Beton und Teer heizen sich enorm auf. Ratsam ist deshalb, den Boden an einzelnen Stellen aufzureißen und Grünflächen zu schaffen. Das muss gar nicht großflächig sein. In einzelnen Pflanzinseln einen Baum zu setzen, ist schon sehr wirksam. Auch Hochbeete sind eine gute Idee. Grünpflanzen tragen durchaus zu einem kühleren Klima bei.

Worauf sollten Lehrkräfte achten, wenn der Pausenhof kaum Schatten bietet?
Die Lehrkräfte sollten großen Wert darauf legen, dass die Kinder gut mit Sonnenschutz ausgerüstet sind und eine Kopfbedeckung tragen. Heizt sich der Schulhof in der Mittagshitze zu sehr auf, ist es ratsam, dass die Kinder in der Pause im Gebäude bleiben – ähnlich wie bei Sturm. Dafür muss die Aufsichtspflicht sichergestellt sein.

Und wie sieht es in den Turnhallen aus?
Sporthallen haben in der Regel immer Dachfenster, die sich in der Nacht öffnen lassen, sodass sich die Luft abkühlen kann. Während des Sportunterrichts können die Lehrkräfte mehr Pausen als üblich machen und darauf achten, dass genug getrunken wird. Gibt es in der Nähe einen Wald oder Park, kann die Stunde auch ins Freie verlegt werden – aber nur, wenn Aufsicht und Sicherheit gewährleistet sind.

Ist Hitzefrei eine gute Idee?
Diesen Anspruch gibt es pauschal nicht und er wäre auch organisatorisch kaum umzusetzen. In weiterführenden und Ganztagsschulen gibt es Hitzefrei ohnehin nicht. Auch alle anderen Schulen müssen schauen, ob sich der Unterricht verschieben lässt. Einfach Stunden ausfallen lassen ist keine Option. Berufstätige Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder in der Schule betreut werden und lernen können.

„Wenn die Sonne durchs Fenster knallt und die Kinder zu wenig getrunken haben, besteht das Risiko einer Überhitzung.“
Dr. Simone Peters ist Leiterin des Referats Schutzmaßnahmen am Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) und Expertin für Raumklima.

 

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