Auch ohne Verankerung im Lehrplan können Lehrkräfte Schulprojekte in Sachen Klimaschutz umsetzen.

Wir tun was!

Das Unterrichtsfach Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gibt es an den meisten Schulen (noch) nicht. Vielen Schülerinnen und Schülern liegt das Thema aber sehr am Herzen, vielen Lehrkräften ebenfalls. Dass man auch ohne eine feste Verankerung im Lehrplan tolle Projekte in Sachen Klimaschutz auf die Beine stellen kann, zeigen drei ganz praktische Beispiele aus drei Bundesländern.

  • BNE wird an vielen Schulen durch Einzelprojekte lebendig
  • Die Schülerinnen und Schüler werden aktiv und gewinnen neue Perspektiven
  • Die Umsetzung erfolgt oftmals interdisziplinär und jahrgangsübergreifend
AUTORIN Susanne Layh, freie Journalistin | COLLAGEN Stock (luismolinero, Pixel-Shot, fotofabrika, Ljupco Smokovski), mann + maus | DATUM 06.02.2024

Erich-Fried-Gesamtschule Ronsdorf in Wuppertal
Projekt: „Schools4Future“

Mehr Infos: https://kurzelinks.de/8e8e
Auszeichnung: Bundessieger und Landessieger NRW im Wettbewerb „Energiesparmeister 2023“
Die Idee: Um etwas verändern zu können, muss man erst mal den Istzustand erfassen. Die Forschungsgruppe „Klimaneutrale Schule“ hat die komplette CO2-Bilanz der Bildungseinrichtung von der Heizung bis zum Mensaessen akribisch unter die Lupe genommen, dokumentiert und entsprechende Handlungsempfehlungen abgeleitet.
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Schülerinnen und Schüler: 1.370
Lehrkräfte: 130

Umsetzung: Laut Schulleiterin Heike Flowerday führt die Erich-Fried-Gesamtschule Ronsdorf in Wuppertal schon seit einigen Jahrzehnten ökologische Projekte durch, beispielsweise in einer Klimaschutz-AG. Die Mensa serviert regionales Bio-Essen und es gibt eine kleine Photovoltaikanlage auf dem Dach. „Da muss noch mehr gehen!“, dachte man sich und meldete sich im Jahr 2020 als Pilotschule bei „Schools4Future“ an. Dieses vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte und vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie initiierte Projekt möchte Schulen auf dem Weg zur CO2-Neutralität begleiten.

Sehr schnell stellte sich heraus: Bei einer 50 Jahre alten Schule wie der Erich-Fried-Gesamtschule ist das gar nicht so einfach. Zum Teil sind die Fenster einfach verglast, neben einer Pelletanlage brummt noch eine uralte Ölheizung im Keller und ein Wärmebild hat ergeben, dass es überall durch kaputte Dichtungen reinzieht. Also fing die aus Schülerinnen und Schülern aller Jahrgangsstufen gebildete Forschungsgruppe „Klimaneutrale Schule“ mit einer Bestandsaufnahme an: Wie viel CO2 verbraucht die alte Heizung? Gibt es Stromfresser in den Klassenräumen? Wie viele Personen kommen mit dem Auto zur Schule? Wie sieht die Klimabilanz der Klassenfahrten aus? So entstand im Laufe von drei Jahren in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut eine sehr beeindruckende und umfangreiche Dokumentation mit entsprechenden Handlungsempfehlungen. Diese sollen wenn möglich im Laufe der kommenden Jahre verwirklicht werden.

Das sagt der Projektleiter: „Es klingt vielleicht etwas paradox, aber wir sind sicher nicht Energiesparmeister 2023 geworden, weil wir so viel Energie sparen“, sagt Biologie- und Geografielehrer Florian Otto. „Das geht aufgrund der alten Bausubstanz unserer Schule auch nicht so schnell. Aber unsere Schülerinnen und Schüler haben mit ihrem Willen und ihrer Hartnäckigkeit viele beeindruckt. Sie haben zig Termine mit dem Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal und den entsprechenden Gremien gemacht und wollten wirklich unbedingt etwas verändern. Dabei mussten sie sich immer wieder anhören: Fahrradstraße? Geht nicht. Dachbegrünung und Photovoltaik? Erst nach Abschluss aller Sanierungsmaßnahmen in zehn Jahren. Eine neue Heizung? Zu teuer. Das kann extrem frustrierend sein, aber auch sehr lehrreich, weil sie nun wissen, wie Politik funktioniert. Im Kleinen konnten wir natürlich etwas bewegen. So gibt es neue Fahrradbügel und abschließbare Fahrradboxen und es werden nicht mehr so viele Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht. Bei den großen energetischen Maßnahmen sind wir als Schule aber am Limit. Da sind nun andere am Zug.“

Oberstufenzentrum Elbe-Elster in Elsterwerda
Projekt: „Grenzenlos – Globales Lernen in der beruflichen Bildung“

Mehr Infos: https://kurzelinks.de/22qw
Auszeichnung: Siegel „Grenzenlos-Schule“
Die Idee: Ausländische Studierende von deutschen Unis besuchen Schulklassen, um im Rahmen einer Lehrkooperation über die Auswirkungen der globalisierten Arbeitswelt in ihrer Heimat zu berichten. Der Schwerpunkt dabei liegt auf Nachhaltigkeit – denn alles, was wir hier tun, hat auch Konsequenzen in anderen Ecken der Welt.
Bundesland: Brandenburg
Schülerinnen und Schüler: 1.968
Lehrkräfte: 104

Umsetzung: Im Schuljahr 2020/21 kamen zwei Studierende der Uni Berlin und der Uni Würzburg an das Oberstufenzentrum (OSZ) Elbe-Elster, um einer zwölften Klasse der gymnasialen Oberstufe etwas über die Kaffee- und Schokoladenherstellung von der Bohne bis zum fertig verpackten Produkt in deutschen Supermärkten beizubringen. Das Besondere: Die junge Frau stammt aus Kolumbien, der junge Mann aus Peru – beide konnten daher aus erster Hand berichten, welche Auswirkungen globale Lieferketten auf die einheimische Bevölkerung haben.

Der Unterricht fand im Rahmen des Projekts „Grenzenlos – Globales Lernen in der beruflichen Bildung“ des World University Service statt. Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und das Weltaktionsprogramm 2030 zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) anschaulich zu vermitteln. Um „Grenzenlos-Schule“ werden zu können, müssen Lehrkräfte eine eintägige Online-Fortbildung absolvieren, die ausländischen Studierenden werden ebenfalls entsprechend geschult. Und dann kann es auch schon losgehen: Am OSZ Elbe-Elster erarbeiteten Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den „Grenzenlos-Aktiven“, welchen Unterschied es für die Umwelt und die Lebensbedingungen vor Ort macht, ob wir hier zum Billigkaffee oder zum Bio-Fairtrade-Produkt greifen. Mittlerweile haben auch weitere Klassen der Schule an dem Projekt teilgenommen, Themen waren unter anderem der Klimawandel, die Abholzung im Amazonasgebiet oder die Herkunft unserer Weihnachtsbäume. Die Erkenntnis: Durch eigenes Handeln kann man das Leben anderer Menschen verbessern.

Das sagt die Projektleiterin: „Als ich zum ersten Mal von dem Projekt gehört habe, hat mich das sofort überzeugt“, berichtet Doreen Bosdorf, stellvertretende Schulleiterin am OSZ Elbe-Elster. „Es ist wichtig, dass wir über den eigenen Tellerrand hinausblicken, schließlich sind wir nicht allein auf der Welt. Den Ansatz finde ich sehr charmant: Natürlich kann ich auch in meinem Unterricht über globale Zusammenhänge des Konsums sprechen, das haben die Schülerinnen und Schüler dann aber im Zweifelsfall schnell wieder vergessen. Viel eindrücklicher ist es, wenn junge Menschen kommen, die selbst erlebt haben, wie es den Produzenten vor Ort geht. Die Stunden waren immer echte Highlights für alle Beteiligten – auch für mich. Es macht ein bisschen Arbeit, die Themen vorab mit den ausländischen Studierenden abzusprechen, es lohnt sich aber auf jeden Fall. Meiner Ansicht nach eignet sich jedes Schulfach für eine Grenzenlos-Kooperation, denn Nachhaltigkeit hat sehr viele Facetten.“

Willms-Gymnasium in Delmenhorst
Projekte: „Go Green“-AG, „Schools for Earth – Climate Lab Niedersachsen“

Mehr Infos: https://kurzelinks.de/a0t4
Auszeichnung: Klima- und Umweltschutzpreis der Stadt Delmenhorst 2021 und 2022
Die Idee: Jeder kleine Einsatz fürs Klima kann viel bewirken. Licht ausmachen, Müll vermeiden und die Heizung nur dann einschalten, wenn sie tatsächlich benötigt wird. Dabei kann ausgefeilte Technik hilfreich sein – die man selbst im Informatikunterricht entwickelt hat.
Bundesland: Niedersachsen
Schülerinnen und Schüler: 1.375
Lehrkräfte: 134

Umsetzung: Schulen in Niedersachsen müssen seit dem Jahr 2021 Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) verpflichtend anbieten. Kein Problem für das Willms-Gymnasium in Delmenhorst, schließlich untersucht man hier schon seit 25 Jahren Wasserproben der Delme, die direkt an der Mensa vorbeifließt. Eine Umwelt-AG namens „Go Green“ gibt es außerdem. In dieser führen Schülerinnen und Schüler der fünften und sechsten Klassen in allen Schulräumen von der Mensa bis zu den Toiletten einen regelmäßigen Check durch: Brennt das Licht noch irgendwo? Steht im Winter ein Fenster offen? Tropft ein Wasserhahn? Was sofort getan werden kann, wird gemacht, der Rest penibel in eine To-do-Liste eingetragen.

„Sobald Fünftklässler Feuer gefangen haben, sind sie kleine Terrier. Die können Erwachsenen richtig auf die Nerven gehen, wenn sie Missstände feststellen“, sagt Schulleiter Stefan Nolting. „Und genau so soll das sein!“ Zudem nimmt die Schule an dem Greenpeace-Projekt „Schools for Earth – Climate Lab Niedersachsen“ teil. Im Rahmen des Informatikunterrichts in der Oberstufe wurden beispielsweise sensible Messinstrumente für den Energieverbrauch installiert und eine App zum CO2-Sparen entwickelt. Jetzt können alle genau sehen, wann in der Schule die meiste Energie verbraucht wird – nämlich überraschenderweise oft genau dann, wenn niemand mehr im Gebäude ist. Mittlerweile haben auch andere Schulen sowie Unternehmen in Delmenhorst Interesse an der Energiespar-App signalisiert. Denn mit einer Investition von nur wenigen Euro konnte der Energieverbrauch der Schule um etwa zehn Prozent gesenkt werden.

Das sagt der Projektleiter: „An unserer Schule ist durch das Climate Lab ein toller Geist entstanden“, so Informatiklehrer Arne Renz. „Sehr viele Schülerinnen und Schüler sind involviert: Manche führen die Messungen durch, andere sind für die Auswertung oder die Dokumentation auf einer eigenen Website zuständig. Wieder andere drehen Videos, die dann geschnitten werden müssen. Das Ganze läuft also sowohl interdisziplinär als auch über viele Jahrgangsstufen hinweg. Es ist zudem schön zu sehen, dass die Kinder auch am eigenen Komfort ansetzen und vorgeschlagen haben, dass es im Winter nicht schon morgens schön warm sein muss. Viele Schülerinnen und Schüler aus der Oberstufe haben durch das Projekt Kontakte zu Firmen im Bereich Energie und Technik geknüpft, das wird ihnen bei der Berufswahl sicher helfen. Besonders stolz bin ich darauf, dass sich die Klimaprojekte langsam von uns Lehrkräften ablösen und die Schülerinnen und Schüler mit eigenen Ideen tätig werden. Sie merken, dass sie selbst etwas bewirken und ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen können. Gut so, denn schließlich sind unsere Kinder die Grundlage der künftigen Demokratie.“

Mehr Infos:

Projekt: „Schools4Future“
https://kurzelinks.de/8e8e

Projekt: „Grenzenlos – Globales Lernen in der beruflichen Bildung“
https://kurzelinks.de/22qw

Projekt: „Schools for Earth – Climate Lab Niedersachsen“ 
https://kurzelinks.de/a0t4