Künstliche Intelligenz verändert die Art, wie wir lehren und lernen.

Verstehen und reflektieren

Seit der Veröffentlichung des Chatbots ChatGPT im November 2022 ist das Thema künstliche Intelligenz (KI) aus Diskussionen an den Schulen nicht mehr wegzudenken. Viele Lehrkräfte sind in Sorge, dass Schülerinnen und Schüler ihre Hausaufgaben per Klick von der KI erledigen lassen könnten. Andere sehen wiederum große Chancen für ein verbessertes Lernen und Lehren.

  • KI-Tools verändern die Lernkultur
  • Technologisches Grundwissen ist nötig
  • Tools nicht über-, aber auch nicht unterschätzen
AUTORIN Nele Hirsch, Bildungswissenschaftlerin und freie Journalistin | FOTO privat | ILLUSTRATION Stock (Sylverarts), mann + maus | DATUM 06.02.2024

Für viele Lehrkräfte ist es nicht einfach, eine angemessene Herangehensweise an die neue KI-Technologie zu finden. Genau dabei können die folgenden Fragestellungen helfen:

WIE FUNKTIONIERT CHATGPT?

KI-Tools wie ChatGPT haben ein Eingabefeld, in das man einen sogenannten Prompt schreiben kann. Zum Beispiel: „Erkläre mir kurz und prägnant die wichtigsten Ereignisse der Französischen Revolution.“ Die folgende Ausgabe ist oft erstaunlich akkurat, kann aber zugleich auch immer mal wieder fehlerhaft sein. Um das einordnen zu können, muss man als Lehrkraft verstehen, was im Hintergrund der Software abläuft: Sie wurde mit riesigen Datenmengen gefüttert und darauf trainiert, in diesen bestimmte Muster und Strukturen zu erkennen.

Wird ein Prompt eingegeben, „versteht“ die Software diese Eingabe nicht, sondern „würfelt“, was aller Wahrscheinlichkeit nach die am besten passende Ausgabe ist. Mit den so generierten Ausgaben lässt sich aufgrund von riesigen genutzten Datenmengen und dem intensiven Training zur Strukturerkennung oft viel anfangen, allerdings ersetzen die Tools nicht das eigene Denken und die menschlichen Fähigkeiten der Kontextualisierung, der Empathie und des Hinterfragens. Vor diesem Hintergrund sollten Lehrkräfte die Tools weder über- noch unterschätzen.

WELCHEN NUTZEN HABE ICH ALS LEHRKRAFT?

Wer ungefähr verstanden hat, wie solche Tools funktionieren, kann sie auf reflektierte Weise nutzen. So kann man zum Beispiel nach Ideen für den Einstieg in ein Thema im Unterricht suchen oder kurze, leicht verständliche Definitionen zu wichtigen Begriffen anfordern – natürlich nicht, ohne noch einmal kritisch drüberzuschauen. Dies kann die eigene Arbeit erleichtern oder vielfältiger gestalten. Beim Experimentieren wird man schnell herausfinden, wie Prompts formuliert werden müssen, um möglichst spezifische Ausgaben zu erhalten. So kann man zum Beispiel ergänzen, dass Erklärungen zu Begriffen benötigt werden, die sehr einfach zu verstehen sind und bei denen auf Fachbegriffe verzichtet wird.

REFLEKTIEREN LERNEN

Genau wie Lehrkräfte mit ChatGPT experimentieren,tun dies auch Schülerinnen und Schüler. Während ein Verbot von KI ziemlich aussichtslos sein dürfte, ist die Reflexion dieser neuen Technologie der viel bessere Weg: Welches
Tool hast du wie genutzt und warum? Was waren die Ergebnisse? Wie könnte es besser gehen? Auf diese Weise lernen Schülerinnen und Schüler einen bewussten Umgang mit diesen Technologien und werden nicht allein gelassen.

Zugleich wird Raum geschaffen, um gemeinsam zu reflektieren: Warum und wie werden in vielen Inhalten beispielsweise Geschlechterstereotype reproduziert? Warum zeigen Bildgenerierungstools fast nur weiße Menschen? Wo fehlen Inhalte, die mir aus meiner Perspektive wichtig wären?

VERÄNDERUNGEN AKZEPTIEREN UND MITGESTALTEN

KI-Tools können starke Impulse für eine Veränderung der Lernkultur setzen. Sie fordern Lehrkräfte heraus, darüber nachzudenken, welche Kompetenzen in einer zunehmend von KI-Technologie geprägten Welt besonders wichtig sind. Sehr wahrscheinlich sind das nicht diejenigen, welche Maschinen oft besser beherrschen als wir selbst.

Diese Erkenntnis könnte ein Anstupser sein, um Kompetenzentwicklung hin zu mehr Kollaboration, Kreativität, kritischem Denken oder Kommunikation einen größeren Stellenwert im Unterricht einzuräumen. Auch Fähigkeiten wie Empathie, Begeisterung, Konfliktlösung oder Vertrauen werden vor diesem Hintergrund zu immer wichtigeren „Future Skills“. Ihre Entwicklung erfordert oft keinen Einsatz von KI-Technologie. Stattdessen kann es bedeuten, mehr Möglichkeiten zu projektorientiertem Lernen zu bieten, bei dem Schülerinnen und Schüler sich mit ihren Themen auseinandersetzen und Selbstwirksamkeit erfahren.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Technologisierung ist es elementar, Lernende zu ermächtigen, diese mitzugestalten und wo nötig, kritisch zu hinterfragen. Das bedeutet nicht nur, dass ein grundsätzliches Verständnis der Technologie erforderlich ist. Zugleich sollten Lehrkräfte auch mit ihren Schülerinnen und Schülern gesamtgesellschaftliche Fragen ihrer Gestaltung reflektieren, etwa wie die Big-Tech-Unternehmen mit persönlichen Daten umgehen oder wie eine offene und demokratisch gestaltete KI der Zukunft aussehen kann.

 

Nele Hirsch ist Pädagogin in dem von ihr gegründeten eBildungslabor. Sie unterstützt und berät Schulen, Hochschulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie zivilgesellschaftliche Organisationen bei der Gestaltung von guter Bildung in einer zunehmend digital geprägten Gesellschaft.

Mehr Infos auf: www.ebildungslabor.de