Gemeinsam auf Augenhöhe
2023 erhielt André Szymkowiak, Schulleiter des Gymnasiums Thusneldastraße in Köln, den Deutschen Lehrkräftepreis in der Kategorie „Vorbildliche Schulleitung“. Die Jury lobte seine individuelle Wertschätzung für alle Mitglieder der Schulgemeinschaft. Was gute Führung ausmacht, erläutert er gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Nicole Detemble.
- Gute Schulleitung teilt Verantwortung und baut Vertrauen auf
- Wohlbefinden als Basis für Lernen und Zusammenarbeit
- Alle Mitglieder der Schulfamilie werden eingebunden
Was sind die wichtigsten Eckpfeiler Ihres Leitungsansatzes?
André Szymkowiak: Vertrauen ist unser Fundament. Es hat Jahre gedauert, bis es wirklich gefestigt war, aber heute ist es die Basis unseres Leitungsstils. Wir hören zu, suchen gemeinsam Lösungen und wissen, dass nur ein authentischer, konsequenter Ansatz funktioniert. Fehler sind erlaubt, denn nur so können sich alle weiterentwickeln.
Nicole Detemble: Als ich vor zweieinhalb Jahren als stellvertretende Schulleiterin an das Gymnasium Thusneldastraße kam, habe ich schnell gemerkt, wie sehr hier auf Beteiligung gesetzt wird. Verantwortung wird bewusst abgegeben, sodass viele Kolleginnen und Kollegen sich einbringen und auf Augenhöhe arbeiten. Auch Unsicherheiten werden zugelassen, und es herrscht ein Klima des Vertrauens.
Die Jury des Deutschen Lehrkräftepreises hat Sie besonders für Ihre Entscheidungskultur, Personalentwicklung und Teamentwicklung gelobt. Was machen Sie denn so Besonderes?
Szymkowiak: Wir setzen auf Teamarbeit und eine offene Fehlerkultur. Kolleginnen und Kollegen übernehmen eigenverantwortlich Aufgaben und entwickeln sich dadurch weiter. Das steigert dann automatisch die Arbeitszufriedenheit und gleichzeitig die Wirksamkeit des Unterrichts. Darüber hinaus legen wir besonderen Wert auf die Einbindung aller Gruppen – Lehrkräfte, Lernende, Eltern und nicht-pädagogisches Personal. Es ist aber eine ständige Aufgabe, alle mitzunehmen und alles transparent zu kommunizieren.
Haben Sie Tipps für Schulleitungen, die mehr Partizipation zulassen möchten?
Detemble: Authentizität ist entscheidend. Man muss von seinem Leitungsansatz überzeugt sein und die eigene Schule sowie ihre Bedürfnisse genau kennen. Ein wichtiger Schritt ist natürlich, die Wünsche und Bedürfnisse aller Gruppen zu erfragen und daraus ein passendes Konzept zu entwickeln.
Szymkowiak: Ich empfehle, sich zu fragen: Wie hätte ich es als Lehrkraft gern? Nicht zu sehr darauf achten, wie man von außen wahrgenommen wird, sondern konsequent den eigenen Weg gehen – auch wenn es Gegenwind gibt.
Welche Rolle spielt das Konzept einer sicheren und gesunden Schule bei Ihnen?
Szymkowiak: Das Wohlbefinden aller steht bei uns an oberster Stelle und ist die Grundlage für eine gesunde Schule. Wir sehen es als Querschnittsaufgabe, die sich durch alle Bereiche zieht. Nur wenn sich alle wohlfühlen, ist nachhaltiges Lernen und Arbeiten möglich. Wir führen regelmäßig Gefährdungsbeurteilungen durch, auch zur psychischen Gesundheit. Das ist uns wichtig, um Belastungen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Zudem achten wir konsequent auf einen rücksichtsvollen Umgang und ermöglichen flexible Arbeitszeiten, wo es geht. Das entlastet und trägt zur Gesunderhaltung bei.
Was tun Sie selbst für Ihre körperliche und seelische Gesundheit?
Detemble: Wir achten darauf, uns selbst zu entlasten, indem wir Verantwortung teilen und uns gegenseitig vertreten können. Flexible Präsenzzeiten helfen, Stress zu reduzieren. Es ist auch ungemein entlastend, wenn man auf Hoheitswissen verzichtet. Wir beide sind immer auf dem gleichen Stand, sodass der jeweils andere jederzeit übernehmen kann. Das sorgt für mehr Gelassenheit.
Wie würden Sie Ihre Philosophie in einem Satz formulieren?
Szymkowiak: Wir versuchen wirklich alle in der Schulfamilie einzubinden. Denn jeder soll sich daran beteiligen, diese Schule zu gestalten. Niemand muss widerspruchslos irgendetwas aushalten, was andere entscheiden. Was hier geschieht, ist immer das Ergebnis eines Prozesses, in den man sich in unterschiedlicher Weise einbringen kann. Das bieten wir an und das fordern wir auch ein.
Wie holen Sie Ihr Lehrkräftekollegium mit ins Boot, um Ihren Leitungsansatz zu verwirklichen?
Szymkowiak: Wir teilen Verantwortung und sogenanntes Herrschaftswissen ganz bewusst. Viele Prozesse werden gemeinsam gestaltet, relevante Gruppen werden frühzeitig eingebunden. Auch das nicht-pädagogische Personal wie der Hausmeister und die Schulsekretariatsfachkräfte sind voll in den Informationsfluss integriert, da sie ganz wichtige Schnittstellen zu Eltern und Schülern sind.
Detemble: Am Gymnasium Thusneldastraße gibt es keine exklusiven Aufgabenbereiche. Jeder kann sich einbringen, und wir achten darauf, dass Informationen breit gestreut werden. Wer möchte, bekommt auch die Möglichkeit, sich zu engagieren.
Was sind oder waren die größten Herausforderungen in Ihrer Rolle als Schulleiter?
Detemble: Die größte Herausforderung ist, dass man es nie allen recht machen kann. Wichtig ist, dass Entscheidungen nachvollziehbar sind und auf einer klaren Grundlage getroffen werden. Das schafft Vertrauen, auch wenn nicht jede Entscheidung beliebt ist.
Szymkowiak: Es ist herausfordernd, immer professionell zu bleiben, besonders in stressigen Zeiten. Als Leitung steht man ständig im Fokus und muss Vorbild sein – auch, wenn es persönlich mal nicht so gut läuft. Die Haltung zu wahren und das Vertrauen zu erhalten, ist eine dauerhafte und nicht immer leichte Aufgabe.
Wie gehen Sie als Schulleitung mit Belastungen und individuellen Anliegen im Schulalltag um?
Szymkowiak: Auch an stressigen Tagen müssen wir als Vorbild präsent bleiben und professionell agieren – denn unsere Haltung prägt das Klima. Es ist leichter, Vertrauen und gute Strukturen zu zerstören als aufzubauen. Deswegen nehmen wir jedes Anliegen ernst – bei uns gibt es nicht den Spruch „Da könnte ja jeder kommen und dann würde nichts mehr funktionieren.“ Jeder, der mit einem Anliegen zu uns kommt, hat ein individuelles Problem und verdient eine individuelle Lösung. Pauschale Ablehnungen gibt es bei uns nicht.
Detemble: Für mich ist es besonders wichtig, als Leitung klar und transparent zu bleiben, aber nicht starr an Prinzipien festzuhalten, denn das kann die Zusammenarbeit erschweren. Wir müssen flexibel sein und Spielräume zulassen, wenn es dem Wohl aller dient. Gerade bei individuellen Anliegen ist es entscheidend, offen und lösungsorientiert zu handeln. So schaffen wir ein Klima, in dem sich alle ernst genommen fühlen und gemeinsam an guten Lösungen arbeiten können.
DER PREIS
Mit dem „Deutschen Lehrkräftepreis – Unterricht innovativ“ ehren der Deutsche Philologenverband (DPhV) und die Heraeus Bildungsstiftung ausgezeichnete Lehrkräfte, innovativen Unterricht und vorbildliche Schulleitungen.


