„Zusammen gut essen macht glücklich“
Alle, die in der Schule essen, wünschen sich leckere, frische und abwechslungsreiche Mahlzeiten. Doch die Realität sieht oft anders aus. pluspunkt sprach mit Wiebke Kottenkamp, Leiterin des Bundeszentrums Kita- und Schulverpflegung, über den Handlungsspielraum von Schulen und einen nötigen Perspektivenwechsel.
- Schulverpflegung sollte im Schulkonzept verankert werden
- Gemeinsames Essen stärkt Gesundheit, Bildung und soziales Miteinander
- Schülerinnen und Schüler einzubeziehen, fördert die Akzeptanz des Schulessens
Frau Kottenkamp, inwiefern haben Schulen überhaupt Einfluss darauf, welches Essen bei ihnen angeboten wird? Die Auswahl liegt doch in der Regel beim Schulträger – und der vergibt bei Ausschreibungen die Aufträge oft unter Berücksichtigung des preiswertesten Anbieters.
Der Preis allein macht kein gutes Angebot, das muss man ganz deutlich sagen. Schulen und Schulträger entscheiden beide maßgeblich über Qualität und Ausgestaltung der Verpflegung. Jede Schule hat andere Voraussetzungen, Bedürfnisse und Möglichkeiten. Diese in die Ausschreibung zu integrieren, ist die Basis dafür, dass Schülerinnen und Schüler gerne in der Mensa oder Kantine essen. Dafür kann und sollte der Schulträger immer auch Qualitätsparameter mit in die Vergabe integrieren. Nur was dort vertraglich an Qualität gefordert wird, wird auch geliefert.
Was können Schulen rund um die Verpflegung direkt steuern?
Die Schulen gestalten die Situation vor Ort und die Atmosphäre beim Essen. Wie viel Zeit haben die Kinder und Jugendlichen in der Essenspause? Werden sie pädagogisch begleitet? Ist die Raumsituation an die verschiedenen Altersgruppen angepasst? Und ganz wichtig: Gibt es Gremien, in denen die Schülerschaft mitentscheiden oder Feedback geben kann? Es gibt viele Aspekte, die darüber entscheiden, ob gerne in der Schule gegessen wird.
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Im Fokus sollten beim Thema Schulverpflegung die Kinder und Jugendlichen stehen. Doch leider entscheiden die, die in der Schule essen, oft gar nicht mit. Nur wer mitgestaltet, kann auch Gesundheitskompetenz beim Essen erlernen. Daher ist eine Verankerung der Verpflegung im Schulkonzept wichtig. Letzten Endes ist es eine Frage der Haltung: Erkennt die Schule das große Potenzial des gemeinsamen Schulessens im Hinblick auf Gesundheit, Bildung und soziale Gemeinschaft? Oder wird es als „lästiges Übel“ empfunden, das neben vielen anderen Aufgaben auch noch erledigt werden muss?
Also halten Sie es für grundsätzlich wichtig, eine neue Esskultur in den Schulen zu etablieren?
Auf jeden Fall, denn beim gemeinsamen Essen geht es ja um mehr als nur ums Sattwerden. Es ist die Grundlage für konzentriertes Lernen, aber auch ein soziales Erlebnis und ein Moment der praktischen Bildung. Es wäre fatal, dieses Potenzial für ein gesundes Aufwachsen nicht zu nutzen. Dafür braucht es vor allem einen Perspektivenwechsel – und zwar bei allen Beteiligten: (Früh)kindliche Gesundheits- und Bildungsinvestitionen wirken sich entscheidend auf Ernährungs- und Lebensstile im Erwachsenenalter aus.
Wie können Schulen Ernährungsbildung und Verpflegung verknüpfen?
Indem beides Hand in Hand geht. Sprich: Das, was Kinder im Unterricht über eine gesunde, nachhaltige Ernährung lernen, sollte sich auch auf ihren Tellern und beim gemeinsamen Essen wiederfinden. Schulen können daher die Verpflegung nicht allein dem Schulträger oder dem Speisenanbieter überlassen. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller Beteiligten. Die Schule kann ihren Teil dazu beitragen, indem sie zum Beispiel einen Mensa-Ausschuss etabliert, aber auch durch informelle Angebote wie einen Schulgarten, Koch-AGs, Kooperationen mit regionalen Landwirten. Hier kann man den Fragen nachgehen: Woher kommt unser Essen? Wie bereitet man es zu? Was heißt es, gesund und nachhaltig zu essen? So bekommt die eigene Ernährung einen neuen Wert für die Schülerinnen und Schüler.
Wie wichtig ist es, die Schülerinnen und Schüler mitbestimmen zu lassen?
Überaus wichtig, denn Mitbestimmung fördert Akzeptanz. Der Mensa-Ausschuss ist zum Beispiel ein guter Weg, regelmäßig in den Austausch zu gehen. Aber auch Zufriedenheitsumfragen und regelmäßige Bedarfserhebungen helfen, ein Angebot zu etablieren, das von den Kindern und Jugendlichen angenommen wird. Wenn das Essen nicht schmeckt, landet selbst das nachhaltigste Angebot in der Tonne. Und das ist eine vertane Chance, denn zusammen gut zu essen, macht glücklich!
Wiebke Kottenkamp ist beim Bundeszentrum Kita- und Schulverpflegung verantwortlich für die fachliche und strategische Ausrichtung der Netzwerkarbeit, die Inte-
ressenvertretung und Repräsentation auf Bundesebene und international sowie für Beratung und Fachaustausch.
MEHR INFOS:
Gut essen! Wo finden Schulen Hilfe und Unterstützung? Das Bundeszentrum Kita- und Schulverpflegung ist die zentrale Ansprechstelle auf Bundesebene zu allen Fragen der Verpflegung in Kindertagesbetreuung und Schule.
• www.gemeinsamgutessen.de
Die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) für Kita- und Schulverpflegung liefern detaillierte und vielseitige Empfehlungen.
• https://kurzlinks.de/id2u
Das Bundeszentrum Kita- und Schulverpflegung bietet Schulen bundesweit und kostenlos das Qualitätsmanagement-Tool „Unser Schulessen“ an.
• https://www.unser-schulessen.de/