„Die Verkehrssicherheit ganzheitlich betrachten“
Maßnahmen zur Stärkung der schulischen Verkehrssicherheit reichen von Schulwegplänen bis zu Präventionsprogrammen. Doch vor allem ist es wichtig, das Thema ganzheitlich, über alle Verkehrsmittel hinweg, zu untersuchen und bei Bedarf weitere Akteure zu involvieren. Jördis Hasler, Fachexpertin von der Unfallkasse Rheinland-Pfalz, erläutert relevante Schritte.
- Die Bestandsaufnahme: Wie ist die Verkehrssituation?
- Eltern in das Thema einbinden
- Maßnahmen auf Schule und Schülerschaft abstimmen
Frau Hasler, welche ersten Schritte sollten Schulen ergreifen, um Schulwegunfälle zu reduzieren?
Am Anfang steht immer die Bestandsaufnahme: Wie kommen unsere Schülerinnen und Schüler überhaupt zur Schule? Gibt es in Schulnähe eine kritische Kreuzung oder andere Gefahrenstellen? Beobachten wir ein erhöhtes Aufkommen von Unfällen? Spätestens im letzten Fall sollte die Schulwegsituation überprüft werden. Dafür gründet man am besten ein Projektteam. Dabei empfiehlt es sich, die Eltern, Schülerinnen und Schüler einzubinden, etwa indem sie zum Schulweg befragt werden.
Wer sollte in das Projektteam eingebunden werden?
Bei der Erstellung von Schulwegplänen sollten schulintern die Schulleitung und ausgewählte Lehrkräfte mitwirken. Außerdem auch Eltern, zum Beispiel aus dem Elternbeirat. Unter externen Akteuren ist der Schulträger eine gute erste Anlaufstelle. Denn die Träger sind ein Stück weit mitverantwortlich für die Infrastruktur der Schule. Außerdem sind sie gut vernetzt mit Kommunen und Verkehrsämtern und können Kontakte herstellen. Für die Bestandsaufnahme zur Verkehrslage sind Polizei und Verkehrswachten optimale fachliche Ansprechpartner. Spätestens wenn bauliche Maßnahmen erwogen werden, müssen Schulen zwecks Genehmigung Akteure wie den Schulträger und die örtlichen Verwaltungen hinzuziehen.
Wieso ist es wichtig, auch die Eltern einzubeziehen?
Erziehungs- und Bildungsarbeit fängt ja in erster Linie im Elternhaus an, dazu gehört natürlich auch die Verkehrserziehung. Deshalb ist es wichtig, Eltern mit ins Boot zu holen und sie über verkehrssicheres Verhalten zu informieren. Das geht an Elternabenden oder durch Elternbriefe. Man sollte sie außerdem für ihre Vorbildfunktion sensibilisieren. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie ihren Kindern auch zutrauen, den Schulweg allein zu bewältigen.
Sie meinen das Vermeiden von „Elterntaxis“?
Ja, es ist wichtig, Eltern zu erklären, dass sie nicht nur paradoxerweise gefährliche Situationen erzeugen, wenn sie ihr Kind bis zum Schultor fahren. Sie behindern auch dessen Kompetenzentwicklung und Selbstständigkeit. Denn so haben die Kinder keine Chance, eigenständig die Umgebung zu erkunden und sicherer im Umgang mit Verkehrssituationen und Verkehrsregeln zu werden.
Welche Aspekte sollten Schulen bei der Verkehrssicherheit besonders berücksichtigen?
Schulen sollten das Thema ganzheitlich betrachten, das heißt über alle Mittel der Verkehrsbeteiligung hinweg – vom Zufußgehen über das Fahrrad- und Tretrollerfahren, die Situation an der Bushaltestelle bis hin zum Pkw-Verkehr. Denn die Schülerinnen und Schüler kommen ja nicht nur auf eine Art zur Schule. Auch die Situation und Lage einer Schule sind relevant: So macht es einen Unterschied, ob es sich um eine kleine Dorfschule oder die Berufsschule in der Großstadt handelt. Die schulische Verkehrssicherheit sollte also immer im Kontext des individuellen Verkehrsraums und der eigenen Schülerschaft untersucht und behandelt werden.
Wieso ist es wichtig, die Verkehrssicherheit an der Schule ganzheitlich zu betrachten?
Um geeignete und Maßnahmen und Schritte abzuleiten. Denn die Mobilität in der Schülerschaft verändert sich ja auch. Zuerst gibt es vielleicht mehr Kinder, die zu Fuß gehen, später mehr Radfahrer. Dann ist es sinnvoll, ein Fahrradtraining anzubieten. An weiterführenden und beruflichen Schulen spielen plötzlich junge Autofahrende eine Rolle: eine Hochrisikogruppe im Straßenverkehr. Ich würde also empfehlen, dass Schulen Maßnahmen passgenau auswählen, das gilt auch für Präventionsprogramme. Ein Programm, das ich Grundschulen in Rheinland-Pfalz zum Thema Schulwege empfehlen kann, ist das Projekt „Gelbe Füße“ der Unfallkasse Rheinland-Pfalz. Doch es gibt natürlich noch andere Angebote. Es lohnt sich für Schulen, Programme und Initiativen aus ihrer Region – etwa der Unfallkassen – zu recherchieren und zu nutzen.
Was sind die „Gelben Füße“?
Die „Gelben Füße“ sind ein Präventionsprojekt für Grundschulen der Unfallkasse Rheinland-Pfalz, das konkret auf eine Stärkung von sicheren Schulwegen abzielt. Im Rahmen des Projekts werden Markierungen in Form gelber Fußabdrücke auf Gehwegen oder an Bürgersteigen aufgetragen. Sie kennzeichnen den sichersten Schulweg und zeigen Kindern, wo sie entlanglaufen oder auch anhalten sollen, bevor sie die Straße überqueren. Sie signalisieren damit, wo genau der sicherste Schulweg verläuft. Das ist oft im Übrigen nicht immer der kürzeste Weg – die Sicherheit der Kinder steht hier ganz eindeutig im Vordergrund.
Wie können Schulen bei den „Gelben Füßen“ mitmachen?
Das Projekt wendet sich an rheinland-pfälzische Grundschulen. Diese können bei Interesse direkt die Unfallkasse Rheinland-Pfalz kontaktieren. Es gibt dafür auf unserer Website ein Antragsformular. Wir nehmen mit den Schulen dann Kontakt auf. Verschiedene Materialien stehen auf der Website auch zum Download bereit. Dort wird das Vorgehen schrittweise erklärt und auch, welche Akteure man hinzuziehen muss, um etwa Genehmigungen der Stadt einzuholen. Wir als Unfallkasse unterstützen in der Beratung zum Projekt und stellen auch ein Schablonenset zum Auftragen der „Gelben Füße“ (laufend und stehend) zur Verfügung.
Wie sieht die Umsetzung des Projekts aus?
Viele Schulen machen aus den „Gelben Füßen“ ein ganzheitliches Projekt, indem Eltern, Schülerinnen und Schüler mit einbezogen werden. Die Lehrkräfte gehen dann mit ihren Klassen oder in Kleingruppen und mit einigen Eltern die Wege gemeinsam ab, erklären die Markierungen oder schauen auch beim Auftragen zu. So kann man alle über die sicheren Schulwege informieren, das Thema pädagogisch gut einbetten und für alle ins Bewusstsein bringen.
Entstehen für die Schulen Kosten?
Die Unfallkasse Rheinland-Pfalz unterstützt teilnehmende Schulen mit einem einmaligen finanziellen Zuschuss. Es können jedoch Folgekosten entstehen, wenn die Markierungen erneuert werden müssen. Je nachdem, mit welcher Farbe und Technik die „Gelben Füße“ aufgetragen wurden, können sie verblassen oder durch Baustellen auch mal verschwinden. Auch Verkehrslagen können sich ändern. Hier sind Schulen in der aktiven Mitwirkung gefragt und sollten die „Gelben Füße“ regelmäßig überprüfen. Es können also Kosten für solche Erneuerungen entstehen. Ansonsten sind die Materialien zum Projekt kostenfrei.

Jördis Hasler ist im Fachbereich Sport, Bewegung, Verkehr der Unfallkasse Rheinland-Pfalz tätig. Dort ist sie als Diplom- Sportwissenschaftlerin und Präventionsexpertin auch Ansprechpartnerin für Verkehrssicherheitsarbeit in Bildungseinrichtungen.
MEHR ZUM THEMA:
Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Sachgebietes Verkehrssicherheit in Bildungseinrichtungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).