Was sagen Studien und Umfragen zur Entwicklung der Jugendgewalt?

Haben wir ein Gewaltproblem?

Schülerinnen und Schüler, die raufen, mit Gegenständen werfen oder spucken: Das gehört leider in manchen Schulen zum Alltag. Um für alle ein sicheres und wertschätzendes Schulklima zu schaffen, spielen ein offener Umgang mit dem Thema Gewalt und präventive Maßnahmen eine tragende Rolle.

  • Zunahme von Jugendgewalt allgemein nicht belegbar
  • In der Schulgemeinschaft kann das subjektive Empfinden anders sein
  • Kommunikation über Gewalt ist der erste wichtige Schritt
AUTORIN Sabine Biskup, Redakteurin Universum Verlag | COLLAGE Adobe Stock (Лёля Михайлова), mann + maus | DATUM 08.05.2024

Einzelfälle drastischer Jugendgewalt, über die Medien oder Lehrkräfte berichten, können den Eindruck erwecken, dass die Gewalt an deutschen Schulen stark zunimmt. Doch so traurig solche Vorfälle sind: Offizielle Zahlen weisen nicht auf eine bundesweit steigende Jugendgewalt hin.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) hat im Jahr 2021 einen Rückgang jugendlicher Tatverdächtiger im Bereich der „vorsätzlichen einfachen Körperverletzung“ in allen Altersgruppen gezeigt – sowohl bei den unter 14-Jährigen als auch in der Gruppe 14 bis 18 Jahre. 2022 stiegen die Zahlen im Vergleich zu 2021 zwar allgemein an, doch blieben sie immer noch unter dem Vor-Pandemie- Niveau (2019). Nur in einer Altersgruppe gab es hier einen Anstieg der Fälle einfacher Körperverletzung im Vergleich zu 2019: bei den unter 14-Jährigen.

 

Ein Drittel fühlt sich unsicher

Doch wie sieht es mit dem subjektiven Empfinden von Schülerinnen und Schülern aus? Einzelstudien vermitteln Stimmungsbilder, wie eine Umfrage von UNICEF unter rund 12.000 Lernenden im Jahr 2019 (in den Altersklassen acht bis 17) zeigt. Nur 68 Prozent bejahten dabei die Frage „Fühlst du dich in deiner Schule vor Gewalt sicher?“. Von Mobbing in der Schule oder auf dem Schulweg berichteten rund 30 Prozent, davon besonders stark betroffen die Gruppe der 16- bis 17-Jährigen. Das Schulumfeld ist damit im Bereich Mobbing der traurige Spitzenreiter, noch vor Mobbing in der Freizeit (16 Prozent) und Internet/ Social Media (14 Prozent).

Gewalt darf kein Tabuthema sein

Dass Gewalt gegen Lehrkräfte in der Einzelwahrnehmung von Betroffenen zugenommen hat, zeigt eine bundesweite Forsa-Umfrage unter rund 1.300 Schulleitungen (erhoben 2018, 2020 und 2022). Dabei bejahten 2022 rund 62 Prozent, dass es in den letzten fünf Jahren verbale Beleidigungen an ihrer Schule gegen Lehrkräfte gab – 2020 waren dies 61 Prozent, 2018 rund 48 Prozent. Körperliche Übergriffe nahmen leicht ab und sanken auf 32 Prozent (2020: 34 Prozent; 2018: 26 Prozent), doch bleibt die Rate beunruhigend hoch.

Außerdem verneinten in der Umfrage immer mehr Teilnehmende, dass mit dem Thema Gewalt gegen Lehrkräfte in Deutschland offen umgegangen wird: Während 2018 noch 46 Prozent dem offenen Umgang zustimmten, waren dies 2022 nur noch 32 Prozent. Eine alarmierende Entwicklung, da Kommunikation der erste Schritt ist, um Gewalt entgegenzusteuern.

Kommunikation & Evaluation

Es ist elementar, dass in der Schule alle das Gefühl haben, über Gewalt reden zu können. Nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für das Lehrpersonal sollte es Ansprechpersonen geben, etwa Schulpsychologinnen oder -psychologen. Außerdem sollten sich Lehrkräfte untereinander austauschen und der Schulleitung berichten. Idealerweise werden alle Fälle erfasst und dokumentiert, um festzuhalten, wann, wo und in welcher Schwere und Häufigkeit Gewalt auftritt.

Durch Evaluationen lässt sich zudem feststellen, ob Maßnahmen zur Gewaltprävention ergriffen werden sollten. Programme können dabei helfen, eine wirksame Präventionsstrategie für die gesamte Schule zu gestalten. Denn nur ein Präventionskonzept, das die ganze Schulgemeinschaft erfasst, kann Gewalterfahrungen vorbeugen.

Wir stellen mit der Datenbank „Grüne Liste Prävention“, IQES und MindMatters drei Tools und Programme für die schulische Gewaltprävention vor.