Die Ansprechbaren
Dominik Dörsching und Marc Fischer unterrichten an der Otto-Hahn-Europaschule in Hanau und engagieren sich darüber hinaus als Verbindungslehrkräfte „Wir sind Beziehungsmenschen – und unsere Aufgabe als Verbindungslehrkräfte ist vor allem Beziehungsarbeit“, sagt Dominik Dörsching. „Es ist wichtig, den Schülerinnen und Schülern wirklich zuzuhören, um ihre Bedürfnisse, Sorgen und Wünsche zu ergründen“, ergänzt Marc Fischer. „Als Bindeglied zwischen Schülerschaft, Kollegium, Schulleitung, Eltern und Förderverein wollen wir helfen, Konflikte zu lösen und die Schule weiterzuentwickeln.“
Was treibt die beiden engagierten Verbindungslehrkräfte an?
„Schülerinnen und Schüler kommen oft mit Konflikten untereinander, Problemen mit Lehrkräften oder persönlichen Anliegen zu uns, die sie nicht mit ihren Eltern besprechen möchten“, sagt Marc Fischer, 31, Lehrer für Chemie sowie Politik und Wirtschaft an der Otto-Hahn-Europaschule in Hanau. „Aber auch Eltern und Lehrkräfte suchen manchmal Rat, wenn sie Unterstützung bei der Kommunikation mit Jugendlichen brauchen“, ergänzt Dominik Dörsching, 36, der Politik und Wirtschaft sowie Englisch unterrichtet. Die beiden sind nicht „nur“ Lehrer an der kooperativen Gesamtschule. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Christina Bereksasi fungieren sie außerdem als Verbindungslehrkräfte an der „Otto“, die mit rund 2.000 Schülerinnen und Schülern in Haupt- und Realschule sowie Gymnasium zu einer der größten Schulen in Hessen zählt.
Drei sind keine(r) zu viel
„Viele haben uns schon vorher als Ansprechpersonen für ihre Anliegen wahrgenommen“, erinnert sich Marc Fischer. Vor drei Jahren wurden sie von der Schülerschaft dann offiziell als Verbindungslehrkräfte gewählt. „Wir sind Beziehungsmenschen – und diese Aufgabe ist vor allem Beziehungsarbeit“, sagt Dominik Dörsching.
Weil die Schule so groß ist, haben die drei Verbindungslehrkräfte alle Hände voll zu tun. „Zum Glück werden wir im Bereich der Konfliktlösung durch ein Mobbing-Interventionsteam und die ‚Ansprechbar‘ unterstützt“, sagt Marc Fischer. Die „Ansprechbar“ bietet allen, die etwas auf dem Herzen haben, eine Anlaufstelle. Der Raum ist an jedem Schultag zumindest für einige Stunden besetzt, abwechselnd durch verschiedene Lehrkräfte, die sozialpädagogischen Fachkräfte oder die Schulseelsorgerin. „Das entlastet uns als Verbindungslehrkräfte sehr, besonders mit Blick auf kleinere Streitereien und die Konfliktlösung“, erklärt Dominik Dörsching. „Selbst zu dritt könnten wir diese Fälle für nahezu 2.000 Schülerinnen und Schüler gar nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit betreuen.“
In der Schaltzentrale
Als Ort für das pluspunkt-Interview haben die Verbindungslehrkräfte das neu gestaltete SV-Zimmer vorgeschlagen. „Das ist unsere Schaltzentrale“, schmunzelt Marc Fischer, „denn wir arbeiten sehr eng mit der ‚SV‘, der Schülerinnen- und Schülervertretung, zusammen.“ Jeden Mittwoch in der Mittagspause kommen die Verbindungslehrkräfte hier mit vielen der rund 50 gewählten Vertreterinnen und Vertretern der Schülerschaft zusammen. Einer davon ist Tobias, der die 13. Klasse des Gymnasiums besucht. „Herr Fischer, Herr Dörsching und Frau Bereksasi unterstützen uns zum Beispiel bei Fragen zum SV-Recht, in die wir wenig Einblick haben“, sagt der Abiturient. „Das hilft dabei, unsere Ideen schneller und besser zu verwirklichen.“
Bei den wöchentlichen AG-Treffen gehe es mehr um Projekt- als um Konfliktarbeit, erklärt Dominik Dörsching. „Neue Beschäftigungsangebote für die Pausen, Events für ein besseres Schulklima, mehr Hygieneartikel für die Damentoilette: Die Schülerinnen und Schüler haben viele Ideen, um die Schule voranzubringen“, erklärt er. Dann seien zahlreiche Fragen zu klären: Was sind die ersten Schritte? Wer möchte mitarbeiten? Was gilt es zu beachten? „Wir helfen dabei, die Vorschläge zu konkretisieren, koordinieren und unterstützen auch die Umsetzung.“ Wie wertvoll dieses Angebot ist, betont Mia aus der 10. Klasse des Gymnasiums. „Vor allem am Anfang unserer SV-Arbeit fehlte uns natürlich das Wissen, an wen wir uns wenden müssen, um Dinge zu verändern“, erinnert sie sich. „Wenn man vor einem Berg voller Fragen steht, braucht man jemanden, den man um Hilfe bitten kann. Am Ende haben die Verbindungslehrkräfte dasselbe Ziel wie wir, nämlich die Schule zu einem besseren Ort für alle zu machen.“
Sichtbare Erfolge
Das Ergebnis eines Projekts kann man innerhalb dieser vier Wände sehen und spüren: Stand der SV früher lediglich eine karge Materialienkammer zur Verfügung, lädt seit Anfang des Schuljahres dieser helle, wohnlich eingerichtete Raum zu den Zusammenkünften ein. An den Wänden hängen Bilder von Hasenohren und Hirschgeweih, in der Raummitte steht ein XXXL-Touchscreen, in einer Ecke lockt eine bunte Sofalandschaft zum Chillen, in der anderen eine Miniküche mit Kaffee, Tee und Softdrinks. Auf dem Weg dorthin hat auch Pauline, Schülerin in der neunten Klasse, mitgewirkt. „Ich habe die Motivation, etwas zu ändern, weil ich die Erfolge unserer SV-Arbeit auch direkt sehen kann“, sagt sie und lobt den Beitrag der Verbindungslehrkräfte. „Sie haben uns bei Unklarheiten geholfen und immer darauf geachtet, dass wir all die Dinge haben, die wir für das Projekt benötigen.“
Entscheidende Unterstützung kam aber auch von anderer Seite. „Die Zusage der Schulleitung, uns diesen Raum für die regelmäßigen SV-AG-Treffen zu überlassen und dass wir ihn nach unseren gemeinsamen Vorstellungen und Ansprüchen gestalten dürfen, war eine große Anerkennung“, freut sich Dominik Dörsching. Um die gelieferten Möbel auszupacken, den Raum zu gestalten und eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, kamen alle Beteiligten gerne in der letzten Sommerferienwoche in die Schule. „Ebenso wie bei persönlichen Problemen geht es auch bei Verbesserungsvorschlägen oder Projektimpulsen oft darum, einfach zuzuhören, einen sicheren Raum anzubieten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen“, sagt Marc Fischer. „Hier ist das alles möglich.“ Daran haben auch die Verbindungslehrkräfte einen großen Anteil, findet SV-Mitglied Anne. „Die drei geben uns vor allem die richtige Struktur, die Projekte anzugehen“, sagt die Gymnasiastin der 10. Klasse. „Außerdem unterstützen sie uns bei den Gesprächen mit der Schulleitung. Davon profitieren am Ende alle, weil die Projekte ein angenehmeres Lernumfeld schaffen.“
Spiele für die Kleinen, Wasser für alle
Ein weiteres Beispiel für ein gelungenes Projekt, das die SV-AG mit Unterstützung der Verbindungslehrkräfte umgesetzt hat, sprudelt auf Knopfdruck an einer Wand hinter dem Haupteingang der Schule. „In den heißen Monaten wünschten sich Schülerinnen und Schüler, dass jederzeit für alle Trinkwasser zur Verfügung steht“, erinnert sich Dominik Dörsching. Nach unterschiedlichen Überlegungen und dem engen Austausch mit dem Förderverein der Schule fand man gemeinsam eine machbare Lösung: ein Wasserspender zum Auffüllen von Trinkflaschen, montiert an einer viel frequentierten Stelle. „Mit der Anschaffung war dieses Projekt aber nicht abgehakt“, betont der 36-jährige Lehrer. Zur Projektarbeit gehöre auch, den Wasserspender regelmäßig zu pflegen und zu warten. „Für diese Aufgaben hat die SV einen wöchentlich wechselnden Pausendienst eingerichtet, der bei Bedarf auch vom Hausmeister unterstützt wird.“

Auf dem Pausenhof ist ein anderes Großprojekt, welches SV und Verbindungslehrkräfte auf die Beine gestellt haben, nicht zu übersehen: Der bunt bemalte Baucontainer ist bis unters Dach gefüllt mit Spiel- und Sportgeräten. „Dieser regelmäßige ‚Pausenverleih‘ entstand auf Wunsch von Fünft- und Sechstklässlern, die sich mehr Spielmöglichkeiten für den Schulhof wünschten“, blickt Marc Fischer zurück. Das Ergebnis vieler Diskussionen, Finanzierungsfragen und Spendenaktionen war der Kauf des geräumigen Containers als Ausleihstelle, „betrieben“ von älteren Schülerinnen und Schülern für die etwas Jüngeren. Bälle aller Art, Tischtennisschläger, Seilstelzen und vieles mehr – gegen einen Schülerausweis als Pfand gibt es hier allerlei Beschäftigungsoptionen für die große Pause. Spaß daran habe aber nicht nur die „Kundschaft“, freut sich Dominik Dörsching: „Es ist total schön zu sehen, wie eifrig die Schülerinnen und Schüler Dienst im Container machen. Diese Freiwilligen tragen das Projekt und sorgen dafür, dass die Schule ein zusätzliches Angebot besonders für die Jüngeren hat.“

Empathische Brückenbauer
Bliebe noch die Frage, warum sich die beiden als Verbindungslehrkräfte diese Fülle von Extraaufgaben freiwillig aufladen. „Neben dem fachlichen Unterricht liegt mir die Förderung sozialer Kompetenzen und die Schulentwicklung in Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern sehr am Herzen“, erklärt Marc Fischer. Deswegen motivieren ihn gelungene Gemeinschaftsprojekte, gelöste Konflikte und jeder noch so kleine Schritt zu einem respektvollen Umgang im Schulalltag immer aufs Neue.
Seitens der Schulleitung werden die Verbindungslehrkräfte für eine halbe Stunde pro Woche von ihren sonstigen Aufgaben freigestellt. „Das ist eine schöne Anerkennung im Rahmen der Möglichkeiten“, sagt Dominik Dörsching. Dass der tatsächliche Aufwand meist höher ausfällt, stört ihn nicht. „Wir fühlen uns hier an der Schule in guter Gesellschaft mit unserem Engagement, weil sich auch viele andere Kolleginnen und Kollegen über ihre Lehraufgaben hinaus einbringen.“
Außerdem sei es einfach wichtig, dass Schülerinnen und Schüler Ansprechpersonen haben, mit denen sie sich vertraulich über ihre Angelegenheiten und Wünsche austauschen können. „Dieses Vertrauen ist an einer Schule unersetzlich“, findet der 36-Jährige, der sich vor allem als Bindeglied zwischen einzelnen Kindern oder Jugendlichen und der nächsthöheren Ebene sieht. „Sich bei Problemen und Bedürfnissen direkt an Lehrkräfte oder die Schulleitung zu wenden, ist für viele Schülerinnen und Schüler ein sehr großer Schritt“, ergänzt er. „Diese Lücke können wir schließen.“ Bei all dem helfe neben Empathie, Kommunikationsstärke, Organisationstalent und Stressresistenz auch die Bereitschaft, Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen, findet Marc Fischer. „Nur so können wir eine Brücke zwischen verschiedenen Gruppen schaffen, frühzeitig Probleme erkennen und dazu beitragen, dass Schule nicht nur ein Lern-, sondern auch ein Lebensraum ist, in dem sich alle wohlfühlen.“