Die Anforderungen an die Krisenintervention sind von der Schule abhängig.

Besser im Team

Schule ist nicht gleich Schule. Je nach Größe und Schülerschaft können unterschiedliche Anforderungen an die Krisenintervention entstehen. Die Beruflichen Schulen Gelnhausen fühlen sich dafür gut aufgestellt – und das ist eine Teamleistung.

  • Das schulische Krisenteam wird am besten funktional aufgestellt
  • Wichtig sind Vertrauen und Engagement
  • Ein gutes Netzwerk und externe Partner helfen
Autorin Sabine Biskup, Redakteurin Universum Verlag | FOTOS privat | COLLAGEN KOTO, beast01, gerduess, aekkorn, Hulahop – stock.adobe.com, flaticon.com, mann + maus | DATUM 13.05.2025

Es ist eine Größenordnung der besonderen Art: 3.300 Schülerinnen und Schüler, 220 Lehrkräfte und weitere Angestellte – eine Schulfamilie, die damit rund 3.500 Menschen umfasst. Die Rede ist von den Beruflichen Schulen Gelnhausen, die größte Berufsschule in Hessen und die drittgrößte deutschlandweit. „Durch das duale System sind zwar nicht alle Berufsschülerinnen und -schüler gleichzeitig hier, trotzdem reden wir von gut 2.000 Menschen, die zeitgleich im Gebäude sein können“, erklärt Christian Böhler, stellvertretender Sicherheitsbeauftragter der Schule und Mitglied der erweiterten Schulleitung.

Welchen Herausforderungen muss sich eine so große Schulgemeinschaft beim Thema Krisenintervention stellen? Und wie hat sich die Schule positioniert? Darüber sprach pluspunkt mit Christian Böhler und Michael Lapp, Schulseelsorger und Lehrkraft für Religion und Ethik. Beide sind außerdem Mitglieder des schulischen Krisenteams, das zurzeit aus zwölf festen Mitgliedern besteht. Dazu gehören der Schulleiter und die stellvertretende Schulleiterin, Personen aus der erweiterten Schulleitung, aus dem Lehrkräftekollegium, aus Sekretariat und Hausmeisterschaft sowie der Schulsozialarbeit.

Wer ist wofür zuständig?

Schulen finden zur Aufstellung solcher Teams Hilfe in den Leitlinien und
Handreichungen, die die Bildungsministerien ihnen zu Verfügung stellen (oft bekannt als „Krisenpläne“ oder „Notfallordner“). Auch in Gelnhausen hat das Krisenteam sich an den Richtlinien des Landes orientiert: „Handeln in Krisensituationen. Ein Leitfaden für Schulen im Land Hessen“. Demnach gehören zu den Aufgaben des Krisenteams die Information von Eltern, Schülerschaft und der vorgesetzten Dienststellen, die Einweisung der Einsatzkräfte, die Organisation des Krisenteams selbst sowie die Organisation der Betreuung der Schülerinnen und Schüler. Die Aufgaben werden dabei konkreten Personen zugeordnet, damit das Team gut und schnell funktioniert. „Ich bin zum Beispiel für die Kommunikation mit Betroffenen und deren Eltern zuständig“, erläutert Michael Lapp, „sowie im Nachgang für Trauerrituale, falls sie gewünscht sind. Da ich auch Schulpfarrer und Schulseelsorger bin, war es naheliegend, dass ich diese Aufgaben übernehme. Auch Lehrkräfte aus dem Kollegium können sich an mich wenden, wenn sie Redebedarf haben. Und das tun sie regelmäßig.“

Solche Schnittstellen zu finden und Funktionen passend zu besetzen, ist besonders empfehlenswert. So hätten andere aus dem Kollegium Erfahrungen bei Feuerwehr oder Rettungsdienst. „Die standen schon mal vor einem brennenden Haus und geraten im Ernstfall nicht in Panik“, sagt Christian Böhler. Andere Mitglieder des Krisenteams seien bereits stark sozial in der Schule engagiert, wie eine Kollegin, die in dem schuleigenen Verein zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern (VUS) aktiv ist. „Im Fall einer Risikoeinschätzung ist das hilfreich, denn die Kollegin kennt manche Fälle schon, wo es vielleicht Probleme zu Hause gibt. Sie kann dadurch Informationen einbringen, die dem Klassenlehrer, dem Abteilungs- oder dem Schulleiter nicht zur Verfügung stehen, und ein geeignetes Vorgehen vorschlagen. Wir sind im Team also sehr breit aufgestellt“, resümiert Christian Böhler.

Information und Krisenplan

Einer der wichtigsten Punkte, um eine gute Krisenintervention zu gewährleisten, ist die Information der Schulgemeinschaft. Diese findet auf unterschiedlichen Wegen statt. So gibt es zu Beginn eines Schuljahres umfängliche Veranstaltungen zum richtigen Verhalten in Notfällen, etwa wie man einen Alarm auslöst und was dann zu tun ist. Außerdem wird dem Kollegium eine abgespeckte Version des 22-seitigen Krisenplans zur Verfügung gestellt. Er enthält Aufgaben und Zuständigkeiten des Krisenteams, inklusive der Kontaktdaten, sowie Informationen zum Gebäude, einen Plan des Gebäudes und der Fluchtwege. „Wichtige Bausteine des Krisenplans geben wir auch an die Polizei weiter, damit sie die notwendigen Informationen hat: Wie groß sind wir, wie viele Zugänge haben wir? Wer gehört zum Krisenteam, wie sind sie erreichbar?“, erläutert Christian Böhler. Eine der zentralen Herausforderungen sei generell die Größe der Schule, einerseits durch die erheblichen Menschenströme, die entstehen können, andererseits durch das riesige Gebäude.

„Wir haben sieben Eingänge und alles ist sehr weitläufig verteilt. Das ist schon fast vergleichbar mit einem mittelgroßen Unternehmen“, sagt Christian Böhler. „Deshalb brauchen wir viele Leute im Team, manche haben auch zwei Aufgaben. In der Hinterhand haben wir noch weitere Mitglieder der erweiterten Schulleitung, des Sekretariats, der Hausmeisterschaft. Auf Zuruf können wir die meisten Aufgaben sogar mit drei bis vier Personen besetzen, etwa um Neugierige abzuhalten oder Personenströme zu lenken.“

Kommunikation per App

Ein weiteres wichtiges Thema der schulischen Krisenintervention ist die zeitnahe Kommunikation im Notfall. Dafür verwendet das Team der BS Gelnhausen seit Neuestem die App „GroupAlarm“, die auch von Rettungsleitstellen genutzt wird, um ihre Einsatzkräfte zu informieren. Sie stellt Textbausteine für bestimmte Situationen zur Verfügung, in denen nur noch Lücken ausgefüllt werden müssen, etwa zu Vorfällen wie „Brand“ oder „Gewalt“. So wird ein Alarm zeitnah abgesetzt und keine wichtige Information vergessen. Informiert werden jene Mitglieder des Krisenteams, die die Situation erfordert, auch das kann in der App festgelegt werden. „Wenn zum Beispiel jemand unser Schulsystem hackt, müssen das in erster Linie der Schulleiter und der IT-Fachmann wissen, aber nicht sofort der Hausmeister“, sagt Christian Böhler. In jedem Fall ermögliche die App eine sehr schnelle und weitreichende Kommunikation. Fast alle Mitglieder des Krisenteams und der erweiterten Schulleitung hätten die App auf Daueralarmierung eingestellt; wer möchte, könne aber auch Geofencing aktivieren – so sei die App nur aktiv, wenn sich die Person im Bereich der Schule befindet oder zu bestimmten Zeiten. Die Kosten für die App werden von der Schule selbst getragen.

Netzwerk und Umfeld nutzen

Doch nicht nur personelle und räumliche Ressourcen der Schule selbst werden genutzt. Die BS Gelnhausen setzen auch auf Vernetzung und Austausch. So wurde zum Beispiel für Ausweichräume gesorgt, in denen Technik verwendet wird oder Menschen untergebracht werden können. Kooperationspartner seien dabei andere Schulen oder Kirchengemeinden, deren Sporthallen oder Gemeindehäuser genutzt werden könnten. „Es stehen Telefonnummern des örtlichen Pfarrers zur Verfügung, um notfalls ins Gemeindezentrum zu kommen“, erläutert Michael Lapp. Diese Symbiose aus einem guten Krisenplan und einem Netzwerk externer Partner sei sehr wichtig. „Wir können für unsere Krisenintervention das Optimum herausholen, das liegt aber auch an unserem großen Kollegium“, räumt der Schulseelsorger ein. „Für kleinere Schulen oder für ländliche Grundschulen ist eine genaue Erarbeitung von Krisenplänen, auch mit externen Partnern, fast noch wichtiger als bei uns. Denn sie leben in viel kleineren Konstellationen. Gleichzeitig können dort Leute, die bei der Feuerwehr oder beim Rettungsdienst sind, viel schneller auf kurzem Wege angesprochen und in Planungen eingebunden werden.“

Vorbildliches Engagement

Die schulische Krisenintervention stellt Schulen also vor große Aufgaben, doch sie sind bei der Lösung nicht allein, sondern können auf Handreichungen, Informationen und externe Partner zurückgreifen. Ob sich die BS Gelnhausen auf Krisen gut vorbereitet fühlen? „Ich fühle mich präventiv bestens aufgestellt, weil wir einfach ein sehr gutes Team sind“, betont Christian Böhler. „Wir kennen uns und vertrauen uns blind.“ Außerdem herrsche unter den Mitgliedern des Krisenteams nicht nur ein starkes Engagement, sondern auch die Bereitschaft, im Notfall Verantwortung zu übernehmen. „Da fragt keiner: Kriege ich jetzt die drei Euro für Sprit?“, sagt Böhler mit einem Augenzwinkern. „Weil das für uns alle selbstverständlich ist, in dem Moment einfach präsent zu sein und der Schule, der Schülerschaft, dem Kollegium und auch den Eltern etwas zu geben und für sie da zu sein.“

Christian Böhler ist stellvertretender Sicherheitsbeauftragter an den Beruflichen Schulen Gelnhausen und Mitglied der erweiterten Schulleitung. Er fungiert als Bindeglied zwischen Schulleitung und Krisenteam, dem er als benannter Sprecher vorsteht. Außerdem ist er Lehrkraft für Mathematik und Metalltechnik.

Dr. Michael Lapp ist Schulseelsorger an den Beruflichen Schulen Gelnhausen, Lehrkraft für Religion und Ethik und Schulpfarrer. Im Rahmen der Krisenintervention übernimmt er unter anderem kommunikative Aufgaben und Trauerrituale.

Zu den Beruflichen Schulen Gelnhausen

 

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Welche Aufgaben das schulische Krisenteam hat? Einen Überblick gibt es hier: „Aufgaben des schulischen Krisenteams“