Raus aus der Mühle
Hohes Tempo, wenig Pausen: Viele Schulleitungen stehen unter großem Druck, auf ihrem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit. Coachings können viel bewirken.
- Schulleitungen haben viele herausfordernde Aufgaben
- Priorisierung und Delegation helfen
- Lösungsansätze müssen nicht perfekt sein
Ständig will jemand etwas von ihm: Im Minutentakt ploppen Mails in seinem Postfach auf, dauernd klingelt sein Telefon und jemand kommt in sein Büro. „Das fordert natürlich“, sagt Philipp Scholz, Leiter der Max-Schmeling-Stadtteilschule in Hamburg. Vor allem, weil er nicht alle Bitten erfüllen und viele Dinge nicht ändern kann. So belastet ihn, dass Personal und Räume fehlen. Doch der Schulleiter hat über die Jahre gelernt, bestmöglich mit dem Druck umzugehen. Dazu gehört, klare Prioritäten zu setzen, Aufgaben abzugeben und auf seine eigene Gesundheit zu achten.
Enorm hohe Arbeitsbelastung
Studien zeigen, dass die Arbeitsbelastung von Schulleitungen enorm hoch ist. In einer Onlinebefragung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erklärten rund 84 Prozent der Schulleitungen, dass sie „oft“ oder „immer“ mit hohem Tempo arbeiteten, rund 72 Prozent gaben an, „selten“ oder „nie“ Pausenzeiten einhalten zu können. „Was Führungskräften zu schaffen macht, ist vor allem die Masse an Herausforderungen“, sagt Christiane von Schachtmeyer, selbst viele Jahre lang Schulleiterin und jetzt Referatsleiterin für Personalentwicklung am Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Als ersten Schritt rät sie: Aus der Vogelperspektive auf die Arbeit blicken. „Wer in der Mühle steckt, braucht erst einmal Distanz.“ Wer erschöpft sei, verliere häufig den Blick dafür, was dringend und wichtig sei. Deshalb seien Coachings enorm hilfreich. Dabei gelte es, Visionen zu formulieren und Handlungsoptionen zu entwickeln. „Das Zauberwort lautet: lösungsorientiert.“
Wenn jemand ein Problem schildert, stellt die Personaltrainerin gern die „15-Prozent-Frage“: Welche 15 Prozent kann man selbst in die Hand nehmen, ohne zusätzliche Ressourcen oder um Erlaubnis fragen zu müssen? „Es geht um die ersten kleinen Schritte“, erklärt Christiane von Schachtmeyer. Beispiel: In der Schule fehlt eine Mathelehrkraft. Jetzt gilt es, zunächst einmal Ideen zu sammeln: Jede Klasse muss mit einer Stunde weniger pro Woche auskommen. Oder drei Klassen werden zu zwei zusammengelegt, mithilfe von Videotutorials gewinnen die Lehrkräfte Zeit für die Betreuung von Schülerinnen und Schülern. Oder die Oberstufenschüler helfen als Tutoren aus. Oder, oder, oder. „Es muss nicht immer alles perfekt laufen“, sagt Christiane von Schachtmeyer. „Es geht darum, ins Handeln zu kommen.“
Abschalten lernen und fortbilden
Auch Philipp Scholz nimmt regelmäßig an Fortbildungen für Schulleitungen teil. „Das hilft mir enorm.“ Was er gelernt hat? „Auszuhalten, dass ich nie fertig sein werde.“ Und dass er viele Probleme nicht lösen kann, weil Rahmenbedingungen damit verknüpft sind: Gebäude, Räume, Personal, Ressourcen. Außerdem achtet Philipp Scholz inzwischen sehr auf seine Arbeitszeiten. „Ich habe besser gelernt, mich abzugrenzen.“ Er habe gemerkt, dass die Welt sich weiterdreht, auch wenn er am Wochenende keine Mails liest. „Wenn es wirklich brennt, bin ich auf dem Handy erreichbar.“ Ihm ist es wichtig, richtig abzuschalten. Auch gelingt es ihm mittlerweile besser, Aufgaben abzugeben. Früher habe er viel mehr selbst gemacht. „Da ist immer ein Berg an unerledigten Dingen auf meinem Schreibtisch liegen geblieben.“
Schon wenige Coachings würden unheimlich viel bewirken, sagt Christiane von Schachtmeyer. „Man wundert sich, was alles in kurzer Zeit möglich ist.“ Doch leider meldeten sich Leitungskräfte oft vorher wieder ab: Keine Zeit. Wenn die Personaltrainerin merkt, dass die Belastung zu einer persönlichen Krise führt, verweist sie weiter an eine psychologische Fachstelle. Das kommt immer häufiger vor. „Die Fürsorgepflicht für Schulleitungen liegt bei der Schulaufsicht“, sagt die Referatsleiterin für Personalentwicklung. Auf der Personengruppe liege auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit und es werde mehr Augenmerk auf ihr Wohlergehen gelegt als früher.
Problemlösung per Fallberatung
„Kollegiale Fallberatung wirkt wunderbar“, ergänzt Christiane von Schachtmeyer. Dabei kommen mehrere Leitungskräfte zusammen, jemand schildert sein Problem, die anderen machen Lösungsvorschläge – beim nächsten Mal wird Bilanz gezogen. „Dadurch kommen sie sehr schnell ins Tun.“ Pragmatische Ansätze förderten die Selbstwirksamkeit und stärkten die Resilienz. Doch die Personalentwicklerin warnt davor, den Fokus nur darauf zu richten. „Selbstverständlich muss sich auch strukturell etwas ändern.“ Beides müsse parallel laufen: sich für Verbesserungen stark machen und zugleich pragmatische Lösungen suchen.
Auch Philipp Scholz betont, dass ihm am Ende immer noch vier Räume fehlten und er keine Förderschullehrkräfte finde. Trotzdem mache er seine Arbeit von Herzen gern. „Aber ich achte inzwischen auch sehr genau darauf, dass ich mir nicht zu viel auflade und mich abgrenze.“
Christiane von Schachtmeyer, Referatsleiterin für Personalentwicklung und ehemalige Schulleiterin: „Coachings sind enorm hilfreich.“
Philipp Scholz, Schulleiter: „Ich habe gelernt, auszuhalten, dass ich nie fertig sein werde.“
FORTBILDUNGEN ZUM THEMA
Die gemeinnützige Heraeus Bildungsstiftung bietet eigens konzipierte Seminare für Schulleitungen an, beispielsweise zu den Schwerpunkten „Selbstführung und Ressourcenblick für schulische Führungskräfte“ und „Gesund Schule leiten“.