„Je höher das Risiko, desto sorgfältiger muss geplant werden“
Schulische Bewegungsangebote sind wichtig – und müssen so organisiert und integriert werden, dass die Sicherheit und Gesundheit aller Beteiligten bestmöglich gewährleistet sind. Sportwissenschaftler Julian Mädrich von der Unfallkasse Rheinland-Pfalz erklärt, wie das funktioniert.
- Für Sportgeräte und Sportanlagen ist der Schulträger zuständig
- Risiken der Bewegungsangebote im Vorfeld abschätzen
- Pädagogische Gefährdungsbeurteilung dient einer guten Planung
Herr Mädrich, Bewegung ist ein Schlüssel zu erfolgreichem Lernen und gesunder Entwicklung – das ist unbestritten. Aber: Wo Bewegung stattfindet, da kann auch etwas passieren. Was muss wer beachten?
Die einzelne Lehrkraft, die bestimmte Bewegungsangebote in ihrem Unterricht, in der Pause oder auch auf Ausflügen beziehungsweise an Projekttagen macht, ist natürlich auch für deren pädagogische und sichere Ausgestaltung verantwortlich. Anders sieht es mit der Verantwortung hinsichtlich der sicheren Beschaffenheit der Geräte in der Sporthalle und auf dem Schulhof aus: Egal, ob Basketballkorb, Kasten oder das Klettergerüst: Hier ist der Schulträger für die Bereitstellung, Wartung und regelmäßige Prüfung verantwortlich.
Wer führt diese Prüfungen durch?
Das organisieren die Schulträger unterschiedlich. Manche haben dafür eigenes Personal, andere lagern das an externe Dienstleister aus, wieder andere beauftragen Fachpersonal der Gerätehersteller. Auf Schulseite ist es wünschenswert, wenn bei der jährlich stattfindenden Begehung und Prüfung durch eine befähigte Person der oder die Sicherheitsbeauftragte, der Hausmeister, die Hausmeisterin oder beispielsweise jemand aus dem Fachbereich Sport dabei ist – je nachdem, wo und was geprüft wird. So erhält die Schule Informationen darüber, worauf im Schulalltag zu achten ist.
Und wie behalten Lehrkräfte die Sicherheit bei Bewegungsimpulsen im Unterricht, bei Spielen auf dem Schulhof oder einer Radtour im Blick?
Eigentlich funktioniert das immer nach der gleichen Methodik. Erfahrene Lehrkräfte führen diese „pädagogische Gefährdungsbeurteilung“ ganz automatisch und ohne groß darüber nachzudenken durch. Es geht dabei um eine spezifische Form der Risikoeinschätzung. Die entscheidenden Fragen hierbei sind: Warum biete ich etwas an? Welche Fähigkeiten bringen meine Schülerinnen und Schüler mit? Wie sicher ist die Umgebung? Wie groß ist das Risiko, dass etwas passiert? Was könnte passieren?
Es ist schließlich ein großer Unterschied, ob ich mit meinen Schülerinnen und Schülern im Klassenraum ein Laufdiktat mache oder eine mehrtägige Kanutour plane. Je höher das Risiko, desto wichtiger ist die pädagogische Gefährdungsbeurteilung.
Warum ist sie so sinnvoll?
Es ist doch für alle Beteiligten das wichtigste Ziel, Unfälle zu verhindern. Und genau dafür gibt die pädagogische Gefährdungsbeurteilung den Lehrkräften Handlungssicherheit und sichert sie rechtlich ab. Sie schafft Verbindlichkeit, erleichtert Übergaben und Vertretungen und stellt auch für die Schulleitung eine Zeitersparnis dar, zum Beispiel bei der Planung weiterer Angebote. Wichtig ist die sorgfältige Wahrnehmung der Aufsichtspflicht. Dazu gehört selbstverständlich, potenzielle Gefährdungen vorausschauend zu erkennen und zu berücksichtigen. Das erfolgt in der Regel gedanklich und situativ. Aber es gibt auch Anlässe, bei denen eine schriftliche Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung sinnvoll ist.
Wann zum Beispiel?
Wenn das Unfallrisiko steigt und die potenziellen Unfallfolgen schwerwiegender als üblich sein könnten, etwa bei bewegungsintensiven Sonderprojekten wie einem Ausflug in den Klettergarten, einer Skifreizeit oder beim Schwimmunterricht. Auch bei inklusiven Lerngruppen oder wenn individuelle Risiken wie Epilepsie, Diabetes, ADHS bekannt sind. Falls etwas passiert, kann eine vorliegende schriftliche Gefährdungsbeurteilung die Sorgfalt der Lehrkraft belegen – sie dient also auch dem Eigenschutz. Darüber hinaus erleichtert eine Niederschrift viele weitere Maßnahmen, die im schulischen Kontext geplant werden, zum Beispiel die Unterweisung neuer Kolleginnen oder Kollegen und das Erstellen von Elternbriefen.
Wie oft kommt es überhaupt zu schwerwiegenden Unfällen im Sportunterricht oder bei Bewegungsangeboten?
Glücklicherweise passieren schwerwiegende Unfälle eher selten. Bei einem Großteil aller Unfälle, die den Unfallkassen gemeldet werden, spielen noch nicht ausreichend entwickelte motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten eine zentrale Rolle. Die meisten Unfälle, die den Unfallkassen
gemeldet werden, passieren auf dem Pausenhof und in der Sporthalle – also genau dort, wo Bewegung stattfindet. Dabei handelt es sich in der Regel um Klassiker wie Stürzen, Stolpern, Umknicken oder Zusammenstöße auf dem Pausenhof.
Möchten Sie den Lehrkräften noch etwas mit auf den Weg geben?
Nutzen Sie jede Möglichkeit, sich fortzubilden. Je höher die Qualifikation der Unterrichtenden, desto interessanter, attraktiver und sicherer sind die Bewegungsangebote, mit denen Sie Kinder und Jugendliche für mehr Sport und Bewegung begeistern können.
WEITERE INFORMATIONEN
Wie führen Sie eine pädagogische Gefährdungsbeurteilung durch? Dabei hilft Ihnen unsere beispielhafte Checkliste für Bewegungsangebote.

Julian Mädrich ist Sportexperte bei der Unfallkasse Rheinland-Pfalz (UK RLP).